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Bild-Verwandtschaften ber G.R.A.M.Als 1979 in der M nchner St dtischen Galerie im Lenbachhaus Selten geh rte Musik[1] aufgef hrt wurde, standen die Bewahrer tradierter Werte kopf. Und das, obwohl dieses Happening zu dieser Zeit l ngst R ckblick auf ein St ck Kulturgeschichte war, mit der die Wiener Aktionisten seit 1968 m chtig aufger umt, ihr alle erdenklichen Z pfe abgeschnitten, ihr den Muff aus tausend Jahren aus den Talaren geblasen hatten. Es war zu dieser Zeit eher ein vergn gliches Aufgie en, das die aktionistischen Recken in der ehemaligen Villa des Malerf rsten Franz von Lenbach veranstalteten; jedenfalls im Vergleich zu dem, was die Urv ter der sterreichischen Kunstrevoluzzerei zwanzig Jahre zuvor geboten hatten. Auch schmunzelte in der Aula des Lenbachhauses ein l ngst postmodern orientiertes, geradezu universit r wissendes Auditorium, w hrend auf der B hne Dieter Roth Paul Renner mittels Gartenschere die Haare bis auf die Kopfhaut blutig schnitt.Anfang der sechziger Jahre nahm das Publikum teil an den ersten poetischen demonstrationen , den literarischen cabarets . Spa macht so richtig Spa nur , erinnert Helmut Salzinger[2], solange die anderen sich dar ber rgern. Unverst ndnis, Widerspruch. Ablehnung, emp rter Protest sind ein ergiebiger Quell der Inspiration f r den, der es darauf angelegt hat, durch sein Tun die Umwelt in ihrer Ruhe zu st ren. Kabarettistisch an diesen Veranstaltungen waren, so Salzinger, allerdings bestenfalls die eingelegten Chansons, im brigen aber entsprachen sie berraschend genau dem, was zur gleichen Zeit in New York erfunden wurde, dem Happening. Vorg nge sollten ausgel st werden, in denen die Wirklichkeit sich selber agiert, zugleich Subjekt und Objekt der Demonstration ist . So plante man beispielsweise, einen Zuschauer um seine Armbanduhr zu bitten, unter dem Vorwand, sie werde f r einen Variet trick ben tigt. Diese sollte dann in einen Plastikbeutel gesteckt, auf einem Ambo mit kr ftigen Hammerschl gen zertr mmert und dem Eigent mer mit der Entschuldigung, der Trick habe leider nicht geklappt, zur ckgegeben werden. Auf dessen Reaktion w re es dann angekommen. Gewi , dergleichen ist terroristisch; aber gerade das, die terroristische Willk rlichkeit realer Vorg nge und Ereignisse, galt es ja zu zeigen. [3] Salzinger bezog sich dabei auf die mittlerweile legend re Dokumentation Die Wiener Gruppe[4].Zwar hatte es nach Friedrich Achleitner eine Formation unter diesem Namen nie gegeben.[5] Dennoch sollte sie unter diesem Begriff in die Kunstgeschichte eingehen, die Gruppierung aus Wien. Doch wie sich das mit Gruppen nunmal so verh lt, in der Hoch-Zeit der Formationsbildungen allemale: Es gab Groupies, Freunde, Anh nger, auch Trittbrettfahrer. Und die entwickelten, durchaus typisch wienerisch, eine gewisse Eigendynamik. Das belegen Gespr che[6] im Umfeld von Uzzi F rster, einem bekannten Jazzmusiker und Kneipenwirt, der regelm ig in der nicht minder legend ren Wiener Bar Strohkoffer[7] auftrat und dort auch gut und gerne Gast war[8]; wie nahezu alles aus dieser kulturrevolution ren Metropole, das sp ter in die kunsthistorischen Annalen eingehen sollte. Da soll im Vorfeld der Kabarett-Darbietungen ein Reporter in den Katakomben der sterreichischen Hauptstadt wegen seiner L gen , die er in der Illustrierten Stern verbreitet habe, vor einem Volksgerichtshof zum Tode auf dem Blutger st verurteilt und auch einige Tage in einer entsprechenden Zelle gefangengehalten worden sein. Er kam wieder frei. Die Guillotine blieb ihm erspart. So libert r war die Revolution der Kunst dann doch.Vor nichts und niemandem machte sie halt, Ehrfurcht vor Tradiertem geh rte in den F kalbereich, Ironie war das Gelindeste, was der Vergangenheit passieren konnte. Doch nun befindet sich diese Vergangenheit im Museum. Dort wird sie neu ausgeleuchtet, und zwar von K nstlern beziehungsweise mit deren Mitteln einer neuen medialen Wirklichkeit. Das geschieht nicht ohne Achtung. Der Wiener Aktionismus ist eine kunsthistorische Gro tat , so G.R.A.M. Man wolle diese Leistungen auch keineswegs schm lern. Allerdings gebe es Facetten im Aktionismus, auch Teile der Rezeption, die vor allem in sterreich sehr pathetisch und bierernst erscheinen. Aus diesem Grund wollten wir mit den Bildern, die vom Aktionismus geblieben sind, arbeiten. [...] Diese wollten wir nachstellen, diese wollten wir neu interpretieren. Es ging unter anderem darum, den Humor zu betonen und somit einen ohnehin schon vorhandenen Aspekt zu unterstreichen, der jedoch im allgemeinen Pathos und Skandalisierungswahn untergegangen ist. Nachstellungen, Inszenierungen sind zentraler Bestandteil des Repertoires der Grazer Gruppe G.R.A.M. Kernthema ihrer Kunst ist es, zeitgen ssische formale sthetik zu variieren, in einem anderen Kontext zu sehen und damit Irritationen zu schaffen .[9] Letzteres taten die Wiener seinerzeit auch, und zwar aufs heftigste. Daf r m chten sie nun, in die Jahre gekommen und Geschichte geworden, die Steirer ein wenig abstrafen. Die Revolution mag ihre Kinder fressen. Doch der Nachwuchs das haben die Alten sie gelehrt hat sich zu wehren.G.R.A.M. hat, quasi im Zuge der antiautorit ren Erziehung[10], die Kreativit t und Selbst ndigkeit f rderte, ihre eigenen Mittel entwickelt und nutzt sie, ohne die tradierten zu begraben. Da unterscheiden sie sich von den alten K mpen, die nicht nur Z pfe, sondern die dranh ngenden K pfe gerne gleich mit abschnitten. Das mag auch daran liegen, da den Jungen ein anderes Theorierepertoire zur Verf gung steht: sie sind Magister der Kunst und deren Geschichte. Das Kalk l der Evolution nimmt ihnen vermutlich auch einiges von der bisweilen verbissenen Ernsthaftigkeit, mit der einige Wiener Aktionisten an ihrer Verbesserung der Welt, zumindest Mitteleuropas[11] bauten. Die Protagonisten von einst , so G.R.A.M., Hermann Nitsch und G nter Brus [im vorliegenden Fall], reagierten in Leserbriefen erbost auf die positive Berichterstattung ber unserere Ausstellung. Wiener Blut. Und sie laufen! Na und n sserWird's im Saal und auf den Stufen:Welch entsetzliches Gew sser!Herr und Meister, h r' mich rufen! Ach, da kommt der Meister!Herr, die Not ist gro !Die ich rief, die Geister,Werd ich nun nicht los. [12]Den beiden Altmeistern des Jahrgangs 1938 waren die rund f nfundzwanzig Jahre J ngeren offenbar zu wenig ernsthaft bei der Sache. Ableger der Spa gesellschaft, das war auch der Hauptvorwurf, den Martin Behr und G nther Holler-Schuster sich anh ren mu ten.G.R.A.M. G nther Holler-Schuster, Ronald Walter, Armin Ranner, Martin Behr wurde 1987 in Graz gegr ndet. Ronald Walter und Armin Ranner sind seit etwa 1997 nicht mehr mit dabei, da sie sich beruflich anders orientiert haben. Der Gruppenname wird jedoch weiterhin konsequent beibehalten.Die Mi t ne d rften in erster Linie einer eher oberfl chlicheren Rezeption der Unschuldigen Anarchisten geschuldet sein. Und das, obwohl bereits der Titel auf einen eher analysierenden Kontext dieses scheinbaren Kinoklamauks verweist. Der masochistische Humor von Laurel Hardy , betitelt der Filmwissenschaftler Drehli Robnik seinen Aufsatz zu dieser Bilderserie von G.R.A.M. und bezieht sich auf die Galionsfigur der strukturalistischen Semiotik, einem fr hen Analytiker gesellschaftlicher Ph nomene und deren miteinander verwobenen Zeichen: Text, Film, Photographie, auch Werbung. Ihre Dummheit r hrt mich , schrieb Roland Barthes nicht ber Laurel Hardy, sondern, wie es weiter hei t: So konnte eine gewisse Definition des stumpfen Sinnes lauten. Dieser stumpfe Sinn ein dritter Sinn , abseits von Information und Symbolik erschlie t unserer Lekt re, sofern sie geschm cklerisch und taktil genug mit Bildern umgeht, das eigentlich Filmische : eine Signifikanz des im Film Sichtbaren, die sich gerade nicht am rechten Ort, in der Bewegung, in natura abzeichnet . [13]Die Hochzeit der beiden als Filmanarchos nicht so recht Erkannten ist zugleich die Bl tezeit von Performance, Happening und Fluxus der f nfziger und sechziger Jahre.[14] Das an diesen Kunstdisziplinen weniger interessierte Publikum hat zu dieser Zeit seinen Spa noch im programmfreien Kino. In den Achtzigern schaffen es die beiden gerngesehenen Tolpatsche dann schon auf die B hne. Urs Widmer formuliert sie um zu (deutschen) Theaterfiguren: Stan und Ollie in Deutschland.[15] Einige Jahre sp ter firmieren Laurel Hardy vor allem wohl ber das auch wirtschaftlich expandierende Privatfernsehen dann unter Kult . Analysten und Analytiker haben gleicherma en gut zu tun mit diesem Ph nomen. Die theoretische Rezeption ist dem Spa faktor allerdings trotzdem unterlegen.Behr und Holler-Schuster fahren einen zweigleisigen Weg der Wahrnehmungsvermittlung. Sie machen sich ihre Medienkenntnisse zunutze und bringen sowohl den reinen Unterhaltungstrieb als auch die Auseinandersetzungsbereitschaft ins Spiel. Die Bilder sind je nach inhaltlichem Background, den man hat, verschieden lesbar. Wenn man solche Dinge wie in den Sechzigerjahren auff hrt, dann bekommen die so etwas Tanztheater-Slapstickartiges , beschreibt Holler-Schuster den G.R.A.M.-Ansatz. Wir gehen davon aus, da das Performancekunst ist , erg nzt Behr und f gt hinzu: Die alte Gleichung Kunst ist Leben, Leben ist Kunst ist hier auf ironische Art erf llt. [16]Wem k me bei dieser Formulierung nicht das Diktum der Romantiker in den Sinn: L'art pour l'art.[17] G.R.A.M. verneinen diesen Denkansatz jedoch. Wenn man von einer Forderung wie dieser ausgeht, so ist der Mi erfolg miteinberechnet zumindest hat es aus der historischen Distanz den Anschein. Diese Forderung haben wir nicht romantisch gemeint, sondern bezogen auf die avantgardistischen Bestrebungen der 1960er Jahre. Diese Gedanken hatten ja sehr weit bis in unsere Zeit hinein Bedeutung. Au erdem ist das ein so starkes Ansinnen, wie die Forderung von Joseph Beuys, wonach jeder Mensch ein K nstler sei. Gut, das kann man verk rzen, falsch verstehen und mi br uchlich verwenden. Alles das nehmen wir uns sehr bewu t heraus, weil wir ja nicht dazu da sind, alte Forderungen zu erf llen. Und wenn das doch der Fall sein sollte, dann nur in einem sehr w rtlichen Sinn. Man mu wohl radikale u erungen aus der Vergangenheit von Zeit zu Zeit neu befragen Zwar waren es gerade die (theoretisch gefestigteren) Romantiker, die den Mi erfolg insofern in ihrem Programm hatten, als sie bewu t keines verfolgten und es f r sie quasi (non-)programmatisch auch nicht von Belang war. Obendrein hat (der ausgewiesene Romantiker) Joseph Beuys nie gesagt, jeder Mensch sei ein K nstler.[18] Dennoch kann auch eine dezidiertere, nicht dem landl ufigen Verst ndnis unterworfene romantische Haltung den beiden nicht unbedingt unterstellt werden. Die Blaue Blume[19] der Sehnsucht ist ihnen zu weit entfernt von heutiger Deutung. Sie ist zu sehr abgegriffen, viel zu klischeehaft, als da wir damit zu tun haben wollten . Dennoch k nnten die ironischen Phantasien eines E. T. A. Hoffmann oder eines Jean Paul durchaus greifen in ihrem medienanalytischen Schwarz-Wei -Theater.Sie befinden sich eben weitab vom unvollendeten Projekt Moderne. Ihr Ressort ist eine nachmoderne Betrachtung, nach der systematisch radikale u erungen aus der Vergangenheit von Zeit zu Zeit neu befragt werden. Die Perspektiven, das Rezeptionsverhalten haben sich alleine ber die neuen Medien derart ver ndert, da einem Publikum mit althergebrachter Betrachtungsweise nur u erst schwierig beizukommen ist. Die G.R.A.M.-K nstler bieten keine Kunst f r Kunsthistoriker, kein Minderheitenprogramm. Die Mehrheit lebt heute zudem zunehmend von und mit dem Bild. Auch wenn der aufgekl rte Minorit bisweilen ahnungsvoll auf diese Massenbewegung starrt, die da kerzengerade in Richtung einer neuen biblia pauperum[20] unterwegs zu sein scheint: Die Zeitgeister haben noch nie R cksicht genommen. Und es findet nunmal eine mediale Erdachsenverschiebung statt, bei der sogar die Astrologen den Rechenschieber werden bet tigen m ssen.Die G.R.A.M.-K nstler f ttern im Dschungelcamp aktuellen Kunst(medien)verst ndnisses das Bed rfnis nach Wiedererkennbarem. Sie liefern scheinbar schlichte Rezepte der Bildvermittlung. Doch sie tun es dialektisch raffiniert, indem sie zwar die altbekannten Bilder bieten, ihnen aber methodisch Gegensetzlichkeit und Widerspr chlichkeit untermischen, die durch unterschiedliche Blickwinkel entstehen. Ist es ein Hochzeitsphoto von Homosexuellen oder das Photo einer Erstkommunion von viel zu alten M nnern, ein Diktatorenphoto oder das Photo einer Reisegruppe? (siehe obiges Titelblatt) so G nther Holler-Schuster. Dasselbe Bild kann von verschiedenen Personen v llig unterschiedlich wahrgenommen werden , erg nzt Martin Behr.[21] G.R.A.M. spielt mit den Inhalten, wie wir sie aus der sogenannten Wirklichkeit kennen, mit denen wir via Fernsehen oder Internet allt glich vollgestopft werden und dabei kaum mehr den Unterschied sehen zwischen Urgro mutters handgesticktem frommen Bildchen berm Herd und der computergenerierten Photographie aus der weltweiten Bildfabrik. F r die Gruppe liegen dem, wie sich der nordkoreanische Diktator pr sentiert, und dem, wie sich die Bosse multinationaler Konzerne geb rden, dieselben Mechanismen zugrunde. [22] Es sind dieselbem Pathosformeln, nach denen wir unterger hrt werden in diesen Einheitsbrei.Kim Jong Il steht inmitten bl hender Landschaften, verk ndet seinen geliebten Mitb rgerinnen und Mitb rgern prosperierende Tr ume. Das ist das Bild, das uns vom nordkoreanischen F hrer von einschl gigen Publikationen her entgegenleuchtet. Es ist eine uns vertraute Choreographie des Stillgestandens. Realit t aus bunten Bl ttern und Bildern. Doch Wirklichkeit? Schaut man genauer hin , stellt Franz Niegenhell fest, so wird ersichtlich, da nichts davon wahr ist. Aufgenommen wurde das Bild westlich von Graz, am Plabutsch. Dort wurden einige der sp rlichen, in den Westen freigegebenen Selbstdarstellungen des geliebten Leiters von der K nstlergruppe G.R.A.M. nachgestellt. [23]Doch nicht nur am Plabutsch[24] ver ndern G.R.A.M. die Perspektiven der Wirklichkeiten. Auch ist Lenin nicht von Martin Behr aufgebahrt im Moskauer Mausoleum abgelichtet worden. Hier liegt der K nstler selbst, ein grotesk anmutender Rollentausch. Und in diesem Spiel posiert Behr auch als sein verschiedener Landsmann aus dem ober sterreichischen Braunau, der sich so gerne als Weltenherrscher pr sentierte oder h lt als G nter Brus den Kopf hin f r den R ckblick in den Wiener Aktionismus beziehungsweise seinen Allerwertesten, um Holler-Schuster ein Ei auf die j ngere Kunstgeschichte schlagen zu lassen.G.R.A.M. stellen nicht nur nach, sie persiflieren auch, was und wem sie nachstellen. So sind Stan und Laurel nicht Stan und Laurel, sondern Holler-Schuster und Martin Behr im betulichen Stadtg rtchen mit der vermeintlichen Ikone des Kleinb rgers; einmal mehr wird hierbei die Darstellung des Komischen in schlichtere Komik berf hrt. Doch die satirische Komponente in den Photographien, in denen die beiden sich einreihen als Global Player oder VW-Vorst nde, d rfte den einen oder anderen weniger Informierten bereits berfordern, ihn in eine kaum mehr unterscheidbare mediale Wirklichkeit berf hren. Ob er die der Ironie innewohnende bittere Wahrheit erkennt, bleibt dahingestellt.Die Satire sei angesichts der Ereignisse nicht in der Lage, die Realit t einzuholen, stellte der nahe der sterreichischen Grenze gro gewordene Kabarettist Siegfried Zimmerschied Mitte der siebziger Jahre fest. Und um einige Jahre zuvor war es der G.R.A.M.-Landsmann Helmut Qualtinger, der mit seinem Herrn Karl die Biederkeit in ein Schreckensbildnis umkehrte.Schrecken wohnt auch der Nachstellung der ber hmten Szene von 1972 des einzelnen Terroristen auf dem Balkon im M nchner Olympiagel nde[25] inne, allerdings wohl in erster Linie f r diejenigen, die sich der Geschehnisse erinnern. Wohl nur f r sie erf hrt dieses Sujet eine Wendung in das Bedr ckende, die das Bild-Kabarett aufarbeitet. Denn der Wiedererkennungswert f r J ngere d rfte bereits im Entstehungsjahr 2001 nicht ganz unproblematisch gewesen sein. Bei der nachgebildeten, um die Welt gegangenen Photographie der Erschie ung eines vietnamesischen Soldaten durch einen US-amerikanischen ist im Gesicht von G nther Holler-Schuster die Ernsthaftigkeit des Geschehens auch nicht so recht erkennbar. Da es nach dieser Inszenierung in der Grazer Peripherie dennoch zu einer lebhaften Diskussion kam, ist aufgrund der aktuellen Ereignisse allerdings verst ndlich. berhaupt stellt sich die Frage, ob der st ndig mit Schreckensbildern aus den Kriegsregionen Versorgte sich ohnehin vielleicht gar nicht mehr in der Lage sieht, anders zu reagieren als mit einem berdru , der sich, wenn berhaupt, zynisch u ert. Er hat ohnehin Hochkonjunktur. Vielen gelten Scherz, Satire und Ironie l ngst als zu altbackene Kommentatoren der Wirklichkeiten. Es mu schon eine Nummer h rter klingen, um die Message berhaupt untergebracht zu kriegen. Dann spielt der (heutige) Unterschied zwischen moralverletzendem Zynismus und bedeutungsumkehrendem Sarkasmus auch weiter keine Rolle mehr. Im tagt glichen mehr oder minder witzelnden Video- und Podcastl rm mu die Botschaft immer noch ein bi chen schriller kreischen, um berhaupt vernommen zu werden. L ngst beteiligen sich die ffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten an diesem bunten Krach. Das w re ja noch einzusehen, da man sich bei ARD, DRS, ORF bis ZDF (um nur die deutschsprachigen Sender zu erw hnen) auch oder vor allem dem bildergrellen Boulevard verpflichtet sieht, um die endg ltige Abwanderung des Fern- oder Zusehers nach Privat-TV zu verhindern. In diesem Zug sieht sich mittlerweile manch ein kluger Zeitungskopf gezwungen, sich vor die Kamera im heimischen Computer zu setzen und seine entwicklungskritischen Lockendrehereien[26] in laufenden Bildchen zu pr sentieren. Das Schreiben von Essays oder gar ganzen B chern scheint bald noch als schmuckes Beiwerk zum journalistischen Alltag (zwischen Public Relation und Werbung) betrieben zu werden. Denn die den klugen K pfen vorstehenden Chief Executive Officers verordnen ihrem Bl tterwald zunehmend und st ndig wiederholend aus den immerselben Quellen sehr bunte Bilder, in ihren Online-Ausgaben selbstredend aufgeforstet mit bewegten von Prominenten aus Kunst, Politik und Wirtschaft, vor allem der Celibrit ten. Ob das alles wahrnehmungstechnisch berhaupt noch reflektiert wird?G.R.A.M. bem ht sich, unsere desolaten Wahrnehmungsapparaturen neu zu justieren. Dabei ist grunds tzlich alles Visuelle geeignet, ins (neue) Bild gesetzt zu werden. Gleichwohl: Die Massenmedien sind ein erster Filter. [...] Insbesondere bei der Serie Nach Motiven von, den nachgestellten Photographien von denkw rdigen Ereignissen aus unterschiedlichsten Bereichen, geht es um die massenmediale Rezeption von au ergew hnlichen Vorg ngen, Happenings, Kunstaktionen, Attentaten und noch einiges mehr. Die Fixierung und Fokussierung eines Ereignisses auf ein immer wieder abgedrucktes Bild ist es, was uns interessiert. Dieses k nstlerische mediale Repetitorium ruft Neuinterpretation hervor. Zeitgen ssische formale sthetik zu variieren, in einen anderen Kontext zu sehen und damit Irritationen zu schaffen, ist ein Kernthema unserer Kunst. 1997 haben Behr und Holler-Schuster w hrend eines Stipendienaufenthaltes in Los Angeles sowohl Prominente als auch (auch ihnen unbekannte) Nachbarn t glich mit Hilfe des Teleobjektivs abgelichtet. ber dieses Einfangen von Alltag f r den Bereich bekannterer Menschen Paparazzi-Photographie genannt entsteht trotz der banalen Abl ufe ein vom eigentlichen Vorgang losgel stes Hirnkino. Die Gedanken kreisen rund um heimliche Liebschaften, m gliche Verbrechen oder Drogendeals. Ein interessanter Vorgang: die ver nderte Bild sthetik schafft ein von den tats chlichen Vorg ngen im Bild abgehobenes, imagin res Szenario. G.R.A.M. nutzen auch fremdes (Bild-)Material. Dabei begeben sie sich allerdings mitten hinein in einen anschwellenden Diskussionsgesang. Man eignet sich diese Inhalte an und gibt sie wieder das erinnert an sprachliche Prozesse. Das Plagiat spielt f r uns keine Rolle. Es sollte berhaupt keine gesch tzten Bilder geben, das ist l cherlich und nicht mehr zeitgem . [...] Im Moment der Fertigstellung ist es f r uns eigenes Material, egal, ob wir das Bild selbst aufgenommen, von einem Freund zur Verf gung gestellt bekommen oder aus dem Internet besorgt haben. Sollte es einen historischen Moment geben, in dem sich ein anderer an die Sache heran macht, ist es wohl auch sein Material. Wir haben da keine Angst und somit auch kein Bed rfnis, Territorien zu sichern. Auch arbeiten Behr und Holler-Schuster nicht immer alleine. Das meint nicht nur die Integration von Laiendarstellern in ihre Bildinszenierungen. Die G.R.A.M.-Artisten haben von Beginn an fr hliche Mitturner gehabt in ihrem Konzept-Trapez. Wobei das Adjektiv fr hlich zwar belustigend klingen mag, wie man bei oberfl chlicher Betrachtung von Hermes Phettberg annehmen m chte, aber der Ernsthaftigkeit nicht entbehrt. Da m gen 1994 einige Schenkel geklopft oder Kopf gesch ttelt haben, als der sich, wie das Magazin Falter notiert, am Autobahnstumpf Graz-West [...], damals einem Park-and-ride-Gel nde, [...] in einem ffentlichen Pissoir zum Anuriniertwerden verf gbar machte .[27] Die nicht nur k rperlich schwergewichtige Figur Phettberg setzt seit Mitte der achtziger Jahre diesen eigenartigen (Wiener) Aktionismus scheinbar antiintellektuell fort, dessen k nstlerische Gegenwehr in einem fundamentalen Religionismus wurzelt. Phettberg nahm darin eine schonungslose Ausstellung des Privaten vorweg, wie sie zwanzig Jahre danach, sowohl im Privatfernsehen als auch im artverwandten Bereich Internet, l ngst allt glich geworden ist. So war diese wahrnehmungsanalytische Zusammenarbeit mit G.R.A.M. nicht nur naheliegend, sondern ebenso vorausschauend.Bei allem Mut zur L cke: Hingewiesen werden mu auf den gemeinsam mit dem Schriftsteller Gerhard Roth absolvierten Jagdausflug im Stillen Ozean.[28] Roth (be-)schreibt nicht nur, er stellt auch photographisch Bilder her. F r seinen 1980 erschienenen Roman Der stille Ozean hat er Jagdszenen aus der stillen S dsteiermark abgelichtet, einer nahe der slowenischen Grenze gelegenen Region, in der mehr noch ber alles m gliche besser geschwiegen wird als anderswo. Roth fand den Schrecken und die Idylle , schreibt Anton Thuswaldner, eng beieinander, er lebte in der Gegenwart und stie sich ab in die Vergangenheit, jenes gro e, unausgesch pfte Reservoir, in dem sich Geschichten und Schicksale sammeln. [...] Kein Laut dringt aus der Tiefe sterreichs, und wo es so unheimlich ruhig ist, ist die Totenstille des Totschweigens ber das Land gebreitet. Photographien bilden Roths Grundlage seiner Literatur. Sie sind nach Thuswaldner Vorlage und Sprungbrett in eine neue Wirklichkeit. Dieser Wirklichkeit sind Behr und Holler-Schuster viele Jahre danach nachgegangen. Sie imitieren Roth, und jedes ihrer Originale ist eine F lschung. Aber was besagt das schon in einer Welt, in der Abbilder f r Wirklichkeit genommen werden. Und w hrend die Methode von Gerhard Roth von anderen aufgegriffen wird, begibt sich der Schriftsteller auf die Pirsch und photographiert die K nstler bei ihrer Arbeit.Die Wirklichkeit ist ein gro es Verwirrspiel, und mittendrin befinden sich die M nner von G.R.A.M. und erfreuen sich an der vors tzlichen Verk nstlichung der Welt. Mit G.R.A.M. wird die Wirklichkeit zum gro en Plagiat, und wir alle sind Mitspieler. [29]Anmerkungen1 Attersee, Cibulka, Hossmann, Gerhard Mayer, Hermann Nitsch, Renner, Dieter Roth, Gerhard R hm, Schwarz, Thomkins, Oswald Wiener. Selten geh rte Musik: Absch pfungssymphonie. Februar 1979, St dtische Galerie im Lenbachhaus M nchen 2 Jonas berohr Helmut Salzinger war der Diedrich Diederichsen der siebziger Jahre. Genauer: Diedrich Diederichsen ist der Salzinger der Achtziger und Neunziger. Jungle World 49, 7. Dezember 2005 3 Helmut Salzinger: Provokation macht Spa . Die Zeit, 19684 Die Wiener Gruppe: Achleitner, Artmann, Bayer, R hm, Wiener Texte, Gemeinschaftsarbeiten, herausgegeben und mit einem Vorwort von Gerhard R hm; Reinbek 19675 Achleitner: R hm und ich haben n mlich eine Kabarettauff hrung in der Schweiz vorgehabt, und da sagte man uns, wir k nnten nur auftreten, wenn wir einen Namen haben. Da dachten wir also nach, und da es Wiener Schule und Wiener Kreis schon gab und berdies in einer Zeitung von einer Wiener Dichtergruppe zu lesen war, nannten wir uns Wiener Gruppe . Oswald Wiener meinte dann, da H. C. [Artmann] uns alle inspirierte, geh re er eigentlich auch dazu, und so kam es zu dieser Bezeichnung. Die Auff hrung fand dann brigens gar nicht statt [...]. Interview mit Friederike Mayr cker und Friedrich Achleitner im Caf Pr ckel, Wien, 6. April 1995, in: Literaturlandschaft sterreich6 Erinnerungen des Autors7 Siehe auch: Maria Fialik, Strohkoffer-Gespr che. Wien 1998; dem Autor ist nicht bekannt, inwieweit darin die hier erw hnten Eskapaden enthalten sind.8 Uzzi F rster wurde f r seine kulturellen Leistungen 1992 gar mit dem Silbernen Ehrenzeichen der Stadt Wien beehrt ...9 Soweit nicht gesondert gekennzeichnet, entstammen die Zitate einem eMail-Interview vom 10. M rz 2008.10 Die hat im Gegensatz zur kolportierten Meinung nichts mit laissez-faire oder gar laisser-aller (Machen-Lassen beziehungsweise Sich-gehen-Lassen) zu tun. Das sind Begriffe aus dem Wirtschaftsliberalismus des 18. Jahrhunderts, die dort ausgeliehen und ein wenig mi verst ndlich benutzt wurden.11 Damit ist keineswegs eine ideologische Thesensammlung gemeint, auch wenn das h ufig (in Unkenntnis) so vermittelt wird, sondern die verbesserung von mitteleuropa, der hermetische roman von Oswald Wiener, der zumindest dem Umfeld der (aber nicht nach ihm benannten) Gruppe zugerechnet werden mu . Das klingt wie ein Symposium-Titel der 90er Jahre, ist aber tats chlich ein Buch aus den 60ern, das, wie wenig andere, die sterreichische und damit auch die gesamte deutschsprachige Literaturszene beeinflu t hat. Die ersten Texte von Handke, Jelinek, aber auch von Frischmuth, Gerhard Roth, Helmut Eisendle, Scharang sind ohne Oswald Wieners Roman nicht denkbar. G nter Brus und (hier zitiert) Sigrid Schmid-Bortenschlager, in: Oswald Wiener. Eine schonungslose Massage berkommener Botschaften.Vor der Schreibkrise war die Denkkrise12 Johann Wolfgang von Goethe: Der Zauberlehrling. Zitiert nach: Werke. Kommentare und Register. Hamburger Ausgabe in 14 B nden, Bd. 1, Gedichte und Epen 1, M nchen 1976, , S. 276 27913 Drehli Robnik: Nach- und sich bl d stellem. Der masochistische Humor von Laurel Hardy, Theo Lingen und G.R.A.M. Katalog zu Unschuldige Anarchisten, Galerie rumford 26, M nchen; Galerie und Edition Artelier, Graz; Patricia Faure Gallery, Santa Monica,/California, deutsch und englisch, Wien 2000, o. S.14 Diese neuen Kunstformen wollten mit theater hnlichen Inszenierungen die Grenzen zwischen K nstler und Zuschauer und die Trennung von Kunst und Leben aufl sen. Der Zuschauer sollte die M glichkeit zur Teilnahme haben. Die Fluxus-Bewegung wurde von dem Amerikaner George Maciunas 1962 in Wiesbaden gegr ndet und war eine Form der Aktionskunst, deren Veranstaltungen meist musikalischen Charakter hatten. Tanz, Theater, Objektdarstellung, Poesie, Malerei und Musik wurden in diesen Veranstaltungen in Aktionen (Happenings) verbunden. Es erfolgte eine Abgrenzung zur traditionellen Kunst. An der Entwicklung dieser Aktionskunst arbeiteten vor allem Joseph Beuys, Wolf Vostell und Daniel Spoerri intensiv mit. Happening und Fluxus. Aktionskunst in sterreich15 Widmer verfa te es f r das M nchner Theater am Sozialamt, und es wurde im Anschlu auch an gr eren B hnen aufgef hrt. Die Begleiterscheinung war ein allerdings ein neues Publikum . Anette Spola, Leiterin des kleinen Theaters klagte: Sie sei zwar sehr erfreut ber das auf Monate hinaus ausverkaufte St ck. Aber das Stammpublikum bleibt drau en. Detlef Bluemler, in: Saarbr cker Zeitung Nr. 86, 12./13. April 1980, Feuilleton, Seite I16 Nordkorea am Plabutsch. Falter 25/2006, 21.6.200617 Ein von Th ophile Gautier gepr gter Begriff; er kann aber auch von Victor Cousin stammen. Er beschreibt eine Kunst, die sich selbst gen gt und frei von Moral und gesellschaftlicher Verantwortung ist; bei den Boh mien bezeichnet er auch die Befreiung von den institutionellen Kunstauftraggebern18 Beuys sagte in einer kritisch-ironischen Anmerkung zu einem seiner Studenten in der D sseldorfer Kunstakademie: Jeder sei ein K nstler, nur er sei eben keiner. Ein halber Satz also nur, aber damit eine ganz andere Wahrheit die seither auf Postkarten durch die Welt reist.19 Sie steht in der Romantik als Metapher f r die Unendlichkeit; Novalis setzte sie in seinem Romanfragment Heinrich von Ofterdingen ein.20 berwiegend textfreie Armenbibel des Mittelalters21 Franz Niegelhell: Nordkorea am Plabutsch. Die K nstlergruppe G.R.A.M. ..., in: Falter, a. a. O.22 Niegelhell, a. a. O.23 Niegelhell, a. a. O.24 Ein Berg bzw. ein Naherholungsgebiet in der Steiermark.25 gezeigt innerhalb des im Genfer Centre de la Photographie Film- und Photographieprojektes Allhamduleilah26 Nach Karl Kraus ist das Feuilleton die Kunst, jemandem auf einer Glatze eine Locke zu drehen.27 Niegelhell, a. a. O.28 festgehalten in: Katalog zur Ausstellung 2004 in der Bregenzer Galerie von Lisi H mmerle29 Anton Thuswaldner, in: a. a. O.Erstver ffentlichung in: K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 82, 2. Quartal (Juni) 2008, Heft 10; hier minimal erweitert F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag; f r die G.R.A.M.-Abbildungen: G.R.A.M. bzw. die jeweiligen Photographen Im L rm der Stadt Man sei sich nicht im klaren, so stand's geschrieben in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, ob die Ausstellung Im L rm der Stadt einen Trend dokumentiere oder ihn erst schaffen wolle. Und Beatrix Nobis verstieg sich in der S ddeutschen Zeitung in die wohl ironisch gemeinte Behauptung von einer geradezu be ngstigenden Bescheidenheit der k nstlerischen Mittel . Die Unsicherheit ist symptomatisch f r die Zeit der aufgeregten Suche nach dem Immer-Neuen.Tats chlich zeigt die Stiftung Niedersachsen in Zusammenarbeit mit dem Sprengel Museum Hannover (k nstlerische Leitung: Lothar Romain), wie im vergangenen Jahr mit Bis jetzt. Plastik im Au enraum der Bundesrepublik, auf: nun die Dokumentation dessen, was sich als Abl sung der raumgreifenden, platzbeherrschenden Skulptur oder Plastik im Au enraum begreift.Im L rm der Stadt formuliert einen Umkehrschlu : Innerhalb der ger uschvollen gro st dtischen Hektik macht sich eine stille, Nachdenklichkeit artikulierende Kunst (alles andere als) bemerkbar; diese 10 Installationen in Hannovers Innenstadt wollen er-sehen, wollen gesucht und gefunden werden. Sie stellen, analog zum gesellschaftlichen Umdenken, eine neue Be-Sinnlichkeit dar, interpretieren den Begriff Denkmal neu: Denk-Mal.Einer der Vorreiter dieser im ffentlichen Raum versteckten Kunst ist Norbert Radermacher (er ist der einzige der zehn ausstellenden K nstler, der 1990 in Hannovers Georgengarten mit dabei war). Offensichtlich hat ihn seine Erfahrung im Finden nicht (kunst-)allt glicher Orte so treffsicher gemacht. Denn einmal mehr lenkt er den Blick des Betrachters um: in Hannovers Innenstadt l t er den Betrachter im besten Wortsinn sich selbst reflektieren. Aus einem 288 mal 511 Zentimeter gro en, ansonsten verschiedenen Institutionen vorbehaltenen Schau-Fenster hat er eine Reflexionsscheibe gemacht, in der sich die aus Richtung Rathaus kommenden Passanten spiegeln. Ihren Tribut fordert die Diskussion um das Auto in den Innenst dten im offensichtlich ironischen Kommentar von Monika Brandmeier: Sie schuf einem Parkplatz ein Denkmal, indem sie ihm eine Art Grabplatte auflegte und diese mit zwei zweifelsfrei zweideutig roten Lichtern (Grableuchten f rs Auto und das nahe gelegene Rotlichtviertel ?) kr nte. Das Thema Auto besch ftigt auch Andreas von Weizs cker, indem er drei mumifizierte Autos aus Papiermasse unter eine Fly over aus Beton h ngt, wobei er seinen Witz mit einem Wortspiel komplettiert: Aus Hannover wurde Hangover diesen Begriff verwendet der US-Amerikaner, wenn er mehrere ber den Durst getrunken hat. Verwirrung stiften Maik und Dirk L bbert mit ihrem Integrationsobjekt Kanalstra e . Sie konterkarieren kaum merklich die untere Betonverkleidung eines Kaufhausgeb udes durch das optische Herausnehmen eines Teilst ckes und das Verlagern der Flie enstruktur aus der Horizontalen in die Vertikale. Ein wenig zu sehr in Richtung Sinn-Stiftung zielt die Arbeit von Thomas Rudolph. Seine berzogen demonstrativ neben einen Brunnen gestellte Abdeckung wirkt platt-idealisierend; die beabsichtigte Einbeziehung des gesamten Platzes ist nur schwer erkennbar. Gelungen ist dieser Aspekt wohl Wolfgang Robbe, dessen Fu g ngerzonenkapelle den eiligen Konsumentenschritt zu stoppen vermag.Unbeabsichtigte Mi billigung durch Passanten d rfte Wilhelm Mundt mit seinen verformten Glascontainern erreicht haben: Fein s uberlich getrennt werfen sie in den gr nen Gr nglas und in den wei en Wei glas. Mit den optischen beziehungsweise akustischen Gewohnheiten besch ftigen sich in Hannover drei K nstler, wobei p.t.t. red (Stefan Micheel und HS Winkler) ihre Arbeit von Michelangelo kommentieren lassen: die welt ist illusion und die kunst die darstellung der illusion der welt. Verwundert suchen die Wartenden im U-Bahnhof Marktballe den einfahrenden Zug, der jedoch lediglich akustisch einf hrt. Und Michael Hofstetter simuliert zwei optische Durchbr che in eine Wand, die in einer Unterf hrung die Fu g nger von den Autos trennt. Lediglich Ingrid Roschek arbeitet mit konventionell -musealer Plastik, stellt Althergebrachtes und Zeitgeist jedoch gleicherma en auf den Kopf: Ihre mit dem Pathos spielenden Plastiken sind so auf Hannovers Aegi plaziert, da man sie vor lauter Integration kaum mehr sieht.Sollte es die vornehmste Aufgabe der Kunst sein, sichtbar, sehen zu machen, dann geschieht das in Hannover durchaus. Der Betrachter, hier der Be-Suchende, hat sich der M he des Ergehens zu unterziehen, will er zur Kunst gelangen. Dabei d rfte er die Pl tze, die Stadtr ume so erfahren, wie er sie lange nicht (mehr) gesehen hat. Hier zeigt sich Kunst (fr hlich-)lehrreich und kommt in ihrer Zur cknahme ohne den [pathetischen] Zeigefinger des monumentalen Denkmals aus. Weltkunst Nr. 23, 61. Jahrgang, 1. Dezember 1991, Seite 3713 Traum-R ume. Raum-Tr ume ber die Arbeit von Peter ChevalierWalter Vitt wies eindringlich darauf hin: Es w rden innerhalb der Branche sogenannte Fakten leichtfertig bernommen.1 Dies, aber auch der eine oder andere getr bte Blick d rften die Gr nde sein daf r, da die Gem lde von Peter Chevalier immer wieder bei Jungen oder Neuen Wilden auftauchen2, diesem Versuch der achtziger Jahre, die franz sischen Fauvisten3 neu und deutsch zu beatmen. Doch auch in Chevaliers Atelier hoch oben unter den Wolken von Kreuzberg ist nirgendwo Gew hl und Hertie versteckt. Dennoch auf dieses Ph nomen der Fehlsortierung angesprochen, lautet im August 2007 seine fast entr stete Gegenfrage: Mal' ich vielleicht Gef hle?! Und, wieder ruhiger: Ich hab noch nie Lebensgef hl gemalt. 4Chevalier geh rte, nachdem er 1980 vom Studienort Braunschweig, nicht zuletzt auf Rat seines Lehrers Hermann Albert, nach Berlin bergesiedelt war, eben nicht zu denen, die in dem ganzen Zirkus 5 mitturnten. Zu dieser Zeit ergab es sich, da unheimlich viele Maler nach Berlin [kamen], zum Beispiel vom L pertz aus Karlsruhe, die haben weder weitergemalt noch sonst was gemacht. Die wurden einfach von der Stadt erdr ckt .6 Mit einem ehemaligen Studenten von Markus L pertz hatte er auch anf nglich das erste Atelier gemeinsam. Doch der kam einfach mit der Situation nicht zurecht. Da l ufst du vom Kottbusser Tor hierher, von der U-Bahn, da bist du nat rlich extrem einsam. Dann sollst du noch malen, oder wie? 7Chevalier hat sich von der damaligen Hektik, der Geschwindigkeit auf dieser Insel inmitten des politischen Malstroms8 nicht mitrei en lassen. Die durch die Wusseligkeit, manchmal auch aufgepropfte Wildheit dieser Stadt entstandene Angriffslust, verursacht sicherlich nicht zuletzt durch die (geo-)politisch bedingte Ausnahmesituation, richtete er auf sich. Man mu eine ganz bestimmte Aggression haben, haupts chlich gegen sich selber [...]. Wenn du die nicht hast, brauchst du erst gar nicht den Pinsel anr hren. 9 Selbst-disziplinierung war es wohl, die ihn konzentriert hat malen lassen. Aber eben keine Gef hle. Ich will , sagte er bereits in den turbulenteren Anfangszeiten, keine exhibitionistischen Bilder malen. 10 Gef hlspornographie auf Leinwand ist bis heute nicht seine Welt. Seine Bilder zeigen Innen-Leben.Das hei t nun keineswegs, mit Peter Chevalier einen in sich und sein Atelier zur ckgezogenen Maler vorzufinden, der sich einer romantizistischen Attit de hingibt. Ein Romantiker ist er gleichwohl. Doch Romantik ist nunmal anderen Ursprungs, als das landl ufig schlichte Bild von ihr hergibt. Jochen Gerz hat dieses langlebige Mi verst ndnis korrigiert: In der Romantik kommt es zur Panne des Auftrags, eigentlich ein sch ner Moment, unglaublich scharf und ohne jede Entschuldigung. Scharfgestellt wird auf die Kunst, und was da steht, nackt und alleine, das ist eben die Kunst. Die Kunst ohne Dauer, Publikum, Auftrag. [...] Das entspricht einem fast franz sischen Begriff des Politisierten. [...] Das allerwichtigste: da sie eine relativ w rdige, unexpressive Haltung eingehalten haben des totalen Fehlens von Anla zu Hoffnung. Die Romantiker waren total getrennt von ihrer Liebe, ihrer Sehnsucht, ihrem Verlangen nach Ursprung oder Zukunft, von ihrem eigenen Bewu tsein, von ihrem Programm, und ohne zu klagen und zu lamentieren und ohne sich zu verboh misieren haben sie das ausgehalten. 11Die Romantik ist gekennzeichnet von der Sehnsucht. Weit hinten liegt das Innen. Es zeigt sich in einer sich immer weiter hinausschiebenden Ferne. Nur wer ihr nachzugehen bereit ist, wird den Brennpunkt erkennen. Zun chst jedoch ist er verriegelt mittels der ihm eigenen Symbolik. Nur wer die Metapher geknackt hat, vermag sie auszuleuchten.Chevaliers Malerei wird, wohl wegen Symbol und Metapher, immer wieder als franz sisch bezeichnet, beispielsweise bei Isabel Greschat und Peter Winter.12 Auch Chevalier selbst streift das Land immer wieder mal, allerdings meist dann, wenn es um Literatur geht. Georges Simenon erw hnt er, den er in der Schulzeit gelesen hat. Maurice Merleau-Ponty, den gro en Philosophen und Ph nomenologen, des Forschers der Wahrnehmung, zitiert er.13 Auf Julien Green, den letzten Amerikaner in Paris, der dort auch geboren wurde, der dort gelebt und in franz sischer Sprache geschrieben und wohl auch getr umt hat, kommt er zur ck. Auch Francis Ponge f llt ein ins Gespr ch, der 1988 gestorbene Schriftsteller, der geschrieben hat, wie andere malen.Interessanterweise hat Chevalier mit Frankreich ansonsten nicht sonderlich viel im Sinn. Sicher, einen Studienaufanthalt Ende der achtziger Jahre in der Vend e gab es, an den er sich gerne erinnert, in Les Sables d'Olonne, einem atlantiknahen St dtchen unweit der Protestantenhochburg La Rochelle. Im Museum, einem ehemaligen romanischen Kloster, hatte er dann auch eine Ausstellung seiner Gem lde und Zeichnungen.14Doch da ist der franz sische Name. Ein hugenottischer ist's. Hugenotten fl chteten (zuletzt) Ende des 17. Jahrhunderts zuhauf auch nach Deutschland, korrekt: in deutsche L nder; damals gab es das Deutschland noch nicht, das heute bekannt ist.15 So kam ein Teil von ihnen ins Badische. Und von dort stammt Peter Chevalier.Hugenotten waren Protestanten, genauer: Calvinisten, recht rabiate Vertreter einer Offenbarungslehre, die jedweden Kult(us) ablehnten, deren H lle die des v lligen Verzichtes auf alles ist und deshalb f r viele noch rger brennt als die katholische, zumal die die Beichte kennt und den Abla . Ob der ins Hugenottische verbannte Peter Chevalier sich deshalb nach der katholischen Wurzel sehnt? Ist er auf dem Weg zum sehr sp ten Konvertiten in die Vergangenheit?Nun sind seine Gem lde nicht eben ausgepr gt katholisch, schon gar nicht erf llt von hymnischem Laudate. Als ob er seiner Verehrung nicht traute, versteckt er den Kultus in einem ppigen Protestantismus. Doch auch hier schimmert eine Sehnsucht durch: Es ist faszinierend, da es in der Kirche so viele Bilder gibt und gab wie die katholische Kirche mit den K nstlern umgegangen ist. Das ist das Gegenteil vom Protestantismus. Nun darf man anderer Meinung sein ber den fr heren, aber durchaus auch aktuellen Umgang der katholischen Kirche mit Kunst und K nstlern. Richtig ist wohl, die Malerei g be es ohne P pste beziehungsweise Kardin le respektive F rsten und Grafen nicht, die ebenso der Kirche ergeben waren, die ja f r den unabdingbaren Glauben stand. Es gab nichts H heres als die Kirche. Nur Gott stand dar ber. Und wer, wie die Hugenotten etwa, anders geartet glaubte oder, sp ter, der Vernunft ergeben war, befand sich im Bund mit dem Teufel und wurde auch schon mal gevierteilt oder sonstwie massakriert. Durch die Kirche, die katholische. Kirche bedeutete Allmacht. Und Kunst bedeutet(e), vereinfacht formuliert: Huldigung Gottes. So sieht das auch ein regierender Kirchenoberer des 21. Jahrhunderts.16 Das war der Kult, den die Protestanten abgeschafft wissen woll(t)en und den viele Katholiken heute vermissen. Deshalb wohl wird mancherorts die Messe wieder lateinisch gelesen.Ist es das Mystische in diesem Umfeld, das Peter Chevalier anzieht? Das Mysterium Malerei?Francis Ponge. Er hat zwar nicht gemalt. Aber er hat sich in seiner Dichtung, in seinen Essais den Dingen 17 suchend, (be-)schreibend gen hert. Die Texte wollen den Gegenst nden hnliche Objekte aus Sprache sein [...] als eine Art Definition und Deskription allt glicher Dinge [...]. 18 hnlich, so lie e es sich betrachten, geht Peter Chevalier in seiner Malerei vor. Wenn seine Gegenst nde auch andere sind als die des Alltags, der sogenannten Wirklichkeit.Ponge schreibt von sich ein Bild, das eine N he zu Chevalier darstellen k nnte: [...] Die am besten begr ndeten Ansichten, die harmonischsten (bestgebauten) philosophischen Systeme sind mir immer v llig br chig vorgekommen, haben bei mir einen gewissen Widerwillen, der unbestimmt an die Seele griff, ein peinliches Gef hl der Unbest ndigkeit hervorgerufen. [...] So erscheinen mir die Ideen an und f r sich als das, wozu ich am wenigsten bef higt bin, und sie interessieren mich kaum. 19 Die Dinge an sich interessierten ihn, die Welt in den Dingen, zum Beispiel in der Auster: Drinnen findet man eine ganze Welt, zu essen und zu trinken: unter einem Firmament (im eigentlichen Wortsinn) aus Perlmutt senken sich die Oberhimmel auf die Unterhimmel und bilden mit ihnen eine einzige Lache, einen gr nlichen, klebrig-z hen Beutel, der f r Geruchssinn und Auge schwillt und sinkt, am Ufersaum mit schw rzlichen Spitzen besetzt. 20So tastet sich auch der Maler langsam an die Innenwelt der Dinge heran. Die Form an sich spielt eine Nebenrolle. Denn die ergibt sich ohnehin beziehungsweise ndert sich fortw hrend w hrend der Suche nach dem Wesen der Dinge. Von Ponge wird bisweilen behauptet, er schreibe nicht auf die Metapher hin. Auch das kann man anders sehen. Denn sie entsteht in seiner Gegenstands-Beschreibung letztendlich doch. Chevalier malt den Gegenstand des Un-Eigentlichen. Auf der Suche danach f hrt es ihn zu Wesentlichem, das sich in einer symbolartigen Figur ausdr ckt, die einen eigen-artigen Raum ben tigt. Die Schnecken von Francis Ponge dr ngen sich auf: Als Heilige machen sie ihr Leben zum Kunstwerk ihre Vervollkommnung zum Kunstwerk. Sogar ihre Sekretion geschieht derart, da sie zur Form ger t. 21 Peter Chevalier mu sich auf diesen Mal-Spuren befinden.Th ophile Gautier. Ihm wird das mindestens so oft wie der Begriff Romantik mi brauchte, zumindest aber mi verstandene L'art pour l'art22 zugeschrieben, einer Kunst, die sich selbst gen gt und frei von Markt, Moral und gesellschaftlicher Verantwortung ist. Am deutlichsten hat sich die Kunst um der Kunst willen in der Dichtung von Charles Baudelaire gezeigt, dieser romantische Sch pfer der Antipoden der romantischen Blauen Blume, der B sen Blumen, diesen ungeheuerlichen, die sthetik des sogenannt H lichen besingenden, selbst in deutscher bersetzung noch sprachgewaltigen Gedichten Les Fleurs du Mal.23 Es verneint alles, was dem Verst ndnis, der Erkenntnis zutr glich sein k nnte. Baudelaire verwendet keinerlei genaue Beschreibung, er ergeht sich in (alp-)traumartigen Verfremdungen. Die Empfindungen , so Gert Pinkernell, die durch diese Symbole ausgel st werden, sollen dem Wesen der Idee entsprechen und neue Ebenen hinter der scheinbaren Realit t aufdecken. Den Symbolisten [...] gelang es mit Hilfe ihrer flie enden Sprache Effekte zu erzeugen, die an musikalische, architektonische oder malerische Kompositionen erinnern. Durch die Verwendung von melodischen Rhythmen und mehrdeutiger Symbolik brachten sie facettenreiche Assoziationen und nuancierte Empfindungen zum Ausdruck. 24In der Nachfolge der franz sischen Symbolisten und vor allem Surrealisten sieht Isabel Greschat Peter Chevalier.25 Dabei f llt der Name Odilon Redon. Der hegte, losgel st von jedweder akademischen Tradition und avantgardistischen Trends seiner Zeit 26 eine Vorliebe f r das Traumhafte und Mystische. Dabei nahm er in erster Linie die alten Meister als Vorbilder f r sein Mus e Imaginiaire . Redon rezipierte berwiegend die Kunst der Renaissance, nach Originalen im Louvre und nach Photographien, was zu seiner Zeit blich war: Sehr viele K nstler aus Redons Generation kopierten im Louvre, z. B. C zanne, Degas, Fantin-Latour, Manet, Berthe Morisot, Pissarro, Renoir, Moreau, Rodin etc. 27 Nach Italien fuhr Redon sp t und auch nur zwei Male.Peter Chevalier hingegen tat dies bereits in jungen Jahren.28 Auch ihn faszinieren die Alten Meister. Das Interesse an fremdartigen, mehrdeutigen Bildern, die mit verborgenen Schichten der Seele korrespondieren und eine F lle von Assoziationen ausl sen, l t ihn an die Innovationen dieser fr heren K nstler ankn pfen und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Dabei verweist Isabel Greschat auf den surrealistischen Grundsatz, der K nstler erfinde eigentlich nichts Neues.29 Wie auch? Alles sei schon einmal gedacht (gemalt?), wird Kurt Tucholsky sp ter lapidar feststellen.30Symbolismus. Surrealismus. Auch die italienische pittura metafisica wird gerne mit Peter Chevalier in Verbindung gebracht. Peter Winter begibt sich sogar in die neuere Kunstgeschichte: Bei einigen seiner lbilder sp rt man, da sich Peter Chevalier auch mit Arshile Gorky, Rufino Tomayo und Wifredo Lam besch ftigt hat, da eventuell die Imaginationen Graham Sutherlands und der fr he Wols ebenfalls nicht spurlos an ihm vor bergegangen sind. 31 Genausogut lie e sich allerdings fragen, in welchem Museum oder sonstiger Umgebung die Bildinspirationen der Genannten nicht zu finden w ren; die zeitgen ssische Indiziensucherei nimmt bisweilen Z ge an, die grotesker anmuten als manch ein Bildsujet. Auch der bildende K nstler n hrt sich nunmal aus dem Napf der Erfahrungen, die andere vor ihm gemacht haben. Wie der Koch, der ins Sternenreich zu gelangen trachtet, kreiert er sie neu. Doch ohne das bew hrt Irdische wird dem niemand ein besterntes M tzchen aufsetzen. Es ist alles eine Frage des Neu-Sehens. Zudem, so w rdigt Johann-Karl Schmidt die Arbeit von Peter Chevalier: Nirgends kann sich die Erkenntnis des Neugeschaffenen noch auf die Kr cke des ber die Sinne gef hrten Wiedererkennens st tzen. 32Wilhelm Bojescul f hrt einen auff llig didaktischen Weg um diese Malerei zu umschiffen: Ohne Peter Chevalier in eine unerw nschte N he zur Abstraktion bringen zu wollen, ist festzustellen, da in den Bildern scheinbar unterschiedliche Stilmittel existieren, da Realistisches und Abstraktes konfrontiert werden [...]. Des fteren f llt ein Schlagwort wie metaphysische Malerei , als w re das Metaphysische der einzige Anla zur Malerei. [...] Meiner Meinung nach geht es Peter Chevalier prim r um ein Interesse, sich als Maler im weitesten Sinne des Begriffes zu artikulieren, ohne an dieser oder jener Richtung ankn pfen zu wollen, geschweige denn zu m ssen. 33Statt (Er-)Kl rung eine Nebelkerze. Denn das Gem lde an sich stellt bereits eine Abstraktion dar. Eine unerw nschte N he f hrt in die Irre, da Chevalier nunmal nichts anderes tut als das Wesentliche vom Unwesentlichen (und umgekehrt) zu trennen. Bojescul m chte f r Chevalier die beiden gel ufigen Begriffe Realismus und Abstraktion getrennt wissen. Letztere wird gerne rein geometrischen Wurzeln zugeordnet, erstere der Figur. Dabei gibt es doch ebenso eine (geometrisch anmutende) Farbfeldmalerei, die sich aus dem Figurativen entwickelt hat. Und auch wenn bei Chevalier die Figur im Vordergrund steht, so sehnt die sich nie nach Realit t, sondern tritt immer die Flucht in den (Traum-)Raum an. Die Realit t des Bildes ist , wie Bojescul an- bzw. bemerkt, eine eigene Realit t fern unserer Alltagsweit. Dem Betrachter wird die Relativit t des Relativen vorgef hrt. Es entsteht eine bildeigene Dialektik, die nur im Rahmen des Bildes logisch ist, die Gro es klein werden l t bzw. l t sie auch Kleines gro erscheinen, wie zum Beispiel die menschliche Gestalt. Weitere Polarit tspaare, die in den Bildern vorhanden sind, sind nah und fern, hell und dunkel und schnell und langsam. Diese Polarit tspaare bewirken einen augenblicklichen monumentalen Zeitstillstand f r den Betrachter, ohne da die Bilder au erhalb der Zeit st nden. Die Zuordnung der Gegenst nde orientiert sich grunds tzlich an der Bildfl che, die bew ltigt werden mu . Somit wird deutlich, da die Realit t f r den Maler zun chst einmal die Leinwand ist, auf die er seine Weltsicht bringt. 34Weltsicht? Egoversum hat Christoph Rihs (seine) Kunst einmal (selbstironisch) genannt.35 Dem Maler, der nichts anderes sein will als das, wird sie zwangsl ufig immer kleiner, diese Welt. Um jeden Quadratmillimeter k mpft er, um jede Darstellungsform des Geringsten noch, mit jedem Pinselstrich, um jede pastose Erhebung, um jede Farbnuancierung, um zu verdeutlichen, was das Geistige in ihm und damit in der Kunst ausmacht. Oft hat er, manchmal bereits ber die tude, in seinem Fall (als eigenst ndige Form) die Zeichnung, alles in Einklang, in einen Klang zu bringen versucht. Auch der Hilfe der lfarbe bedient er sich denn sie ist ebenso Ausdrucksmittel, die sich in jedem Licht und ber lange Zeit hin immer wieder ver ndert. Und damit das Egoversum, das ohnehin dazu neigt, sich st ndig neu zu orientieren. Ex oriente lux im Osten geht die Sonne auf ...R ume, so nennt Peter Chevalier seine Bilder. Johann-Karl Schmidt nennt als Gundvoraussetzung f r solches (weniger dem Dekorativen gewidmete) Raum-Schaffen das Sehverm gen der Seele . Was die Seele sieht, ist, wie Schmidt meint, nicht Wirklichkeit, also spiegele sich darin auch keine solche. Auch dabei l t sich ein anderer Standpunkt einnehmen. Zumindest haben seit Sigmund Freud hier einige Wirklichkeiten gesehen, die sich in der Seele wiederfinden. Gerade in den Tr umen, so hat die traumdeutende Wissenschaft ber die Jahrzehnte hin herausgefunden, wirft die Seele Wirklichkeiten aus, verarbeitet Geschehenes, aber durchaus auch Ahnungsvolles, Vision res, Utopisches. Kunst kommt von Sehen, von dessen Umsetzen. Peter Chevaliers Seele, so sei spekuliert, sucht den Nicht-Ort. Hierbei ger t er ins Fahrwasser eines Sur-Realismus, der (auch) Symbole gebiert, auf der Suche nach Wahrheit Ergebnis einer Neben-Wirklichkeit. Darum ringt, k mpft er. Was sollte er als Maler auch anderes tun?Und es geht wohl auch weniger darum, Neues zu erfinden statt Gegebenes zu interpretieren . Wenn er Neues erfinden will als K nstler, der sein P ckchen auf den Markt tragen mu , dann mag es hei en: [...] sich mit gr erem Mut dem Wagnis des Scheiterns oder Gelingens auszusetzen, weil nichts dem Urteil mehr festen Halt irgendwo im Vertrauten anbietet .36 Wenn den K nstler aber Neues ( ber-)denkt, es ihn immer wieder das Alte neu tr umt, das umzusetzen ihn immer wieder aufs neue zwingt, erneut anzusetzen, dann scheitert er allenfalls am Lager derer, die unter Kunst etwas so zwanghaft Neues verstehen, wie es vom Media-Markt erwartet wird. Aber letztlich kommt auch Johann-Karl Schmidt auf den entscheidenden Punkt: Wenn Peter Chevalier also seine Bilder R ume nennt, so soll das nicht die von vornherein nutzlose Suche nach einer vielleicht vermittels perspektivischer Linien oder illusionistischer Kunstgriffe darin enthaltenen dritten Dimension ausl sen. Raumfragen oder Raumillusionen, die K nstler und ihre Interpreten bis heute gern deklamieren, als ob sie Kernprobleme der Kunst w ren, kommen hier nicht zur Sprache, weil Peter Chevaliers Bild einen Kunstraum und nicht einen Weltraum er ffnet.In diesem Kunstraum aber verharren die Dinge nicht empirisch erfahrbar und nach ihrer physischen Natur, ihrem k rperlichen Volumen, ihrem schwerkraftbedingten Gewicht statisch in die drei Dimensionen geordnet, sondern sie schweben ortlos und schwerefrei in fl chtigen Zust nden. Perspektive, Ordnung und Einheit: meist waren in der Neuzeit Vernunft oder Erfahrung Richtschnur k nstlerischer Spekulation selbst dann noch, wenn deren Ziele, wie beim Surrealismus, im lrrationalen lagen. Bei Peter Chevaller stehen die Bilder selbst einer Rezeption ber die Vernunft im Wege, denn sie sagen dem ordnungstiftenden Einheitspostulat, das seit den Bildungsgesetzen der Renaissance unsere Sehgewohnheiten pr gt, ab. Dessen Preisgabe fordert jedoch viel vom Betrachter, n mlich erneut als ein Bild anzuerkennen, was doch den harmonischen Bildbegriff, wie er berkommen ist, bestreitet. 37Es ist dieses (nur scheinbare) Paradoxon, das der Kunst innewohnt: sie erweitert das Blickfeld des Betrachters, schiebt den Horizont in weite, bisweilen sehr fremde Fernen. Als ob man sich aufmacht, das Zuhause des engen Gebirgstals oder der Stadtschlucht zum ersten Mal zu verlassen, um dorthin zu gehen, wo die Ankunft des Besuchers schon am Vortag wahrgenommen wird. Oder einfach ein paar Schritte hinaufgeht auf den Deich und mit einem Mal sieht, da das Denken nie ein Ende haben wird, weil die Welt rund ist wie der Kopf. Was beileibe nicht hei en soll, da der Gedanke deshalb st ndig die Richtung ndern mu . Er geht lediglich seinen Weg. Auch der hat bekanntlich ein Ziel: hin zur Kunst, immer auf der Suche zu sich selbst: L'art pour l'art im urspr nglichen, eben romantischen Sinn zweckfrei.Auch in der Person, genauer: in der Malerei von Peter Chevalier zeichnet dieser Weg sich ab. Bestimmte fr her noch dieses , wie Peter Winter schreibt, nordisch Schwere die Sujets, zeigten bereits in den neunziger Jahren neue Arbeiten im Gegensatz zu den Bildern der achtziger Jahre einen starken Mut zur Strahlkraft der Farbe .38 Mittlerweile sind nicht nur die Bildhintergr nde heller geworden, auch die Formen geben mittlerweile ein wenig von ihren Geheimnissen preis. Beharrt die Metapher auch auf ihren angestammten Ort, so bietet sie sich doch zusehends als Schl sselsymbol an f r den bereitwilligen Betrachter. Die Hermetik ist keine absolute mehr. Die Erdenschwere l st sich langsam auf, die Gem lde sind leichter, zumindest lichter geworden. Die Vermutung steht an, Peter Chevalier verlasse die hugenottischen, calvinistisch-materialistischen Fluchten und sei fr hlicher, gelassener unterwegs in der Ahnen Spuren. Vielleicht auf dem Weg an einen (katholischen) Atlantik?Anmerkungen1 Walter Vitt: Palermo starb auf Kurumba. Wider die Schlampigkeiten in Kunstpublikationen. aica Schriften zur Kunstkritik , K ln/N rdlingen 20032 Ein Beispiel nur: Kunstmarkt.com (11.12.2007)3 Die Fauves hatten ihren Ursprung im zwischen 1910 und 1920 aufkommenden Expressionismus, zu deutsch Wilde der damalige Direktor der Aachener Neuen Galerie, Wolfgang Becker, gab ihren Nachkommen den Namen Junge Wilde.4 Aus diesem Gespr ch und weiteren Gespr chen entstammen auch die Zitate, die hier nicht gesondert ausgewiesen sind.5 Gespr ch mit Walter Grasskamp, gedruckt in: Ursprung und Vision. Neue deutsche Malerei. Ausstellungskatalog Centre Cultural de la Caixa de Pensiones, Barcelona; Palacio Velasquez Madrid; Museo de Arte Moderna, Mexico City, 19846 Gespr ch mit Walter Grasskamp, a. a. O.7 Gespr ch mit Walter Grasskamp, a. a. O.8 der allerdings weniger mit Kunst als mit Naturgewalten zu tun hat: norwegisch Moskenstraumen, starker Gezeitenstrom zwischen den s dlichsten Lofotinseln (Nordnorwegen), kann bei Westst rmen und einem nach Westen setzenden Ebbstrom kleinere Schiffe gef hrden (lexikon.meyers.de) In den K nsten wird der Begriff jedoch gerne metaphorisch genutzt.9 Gespr ch mit Walter Grasskamp, a. a. O.10 Gespr ch mit Walter Grasskamp, a. a. O.11 Detlef Bluemler: Gespr ch mit Jochen Gerz am 4. Mai 1988 in Paris12 Isabel Greschat: Geheimnisse des Paradieses und der Phantasie, in: Peter Chevalier, Bilder und Zeichnungen 1988 1997, Ausstellungskatalag Galerie der Stadt Stuttgart 1997, S. 15-21; Peter Winter: Versponnen im Craquel der Assoziationen. Der Berliner Maler Peter Chevalier. Manuskript von 1996; keine Angaben, vermutlich f r Die Zeit oder Frankfurter Allgemeine Zeitung13 Aber das Fragen der Malerei zielt in jedem Fall auf dieses verborgene und fieberhafte Entstehen der Gegenst nde in unserem K rper , in: vor himmlischen erscheinungen sch tzt kein brett. Mit einem Text von Gerd Denger. Ausstellungskatalog Galerie Wolfgang Gmyrek, D sseldorf 199314 Peter Chevalier. Peintures Dessins 1989 1990. Mus e des Sables d'Olonne, Cahiers de l'Abbayes Sainte-Croix, Februar bis April 1990; Katalog15 Mit der Zeile Von der Ma bis an die Memel in seinem Lied der Deutschen von 1841 wollte Hoffmann von Fallersleben das Ende der gro en Kleinstaaterei, Einigkeit und Recht und Freiheit f r alle Deutschen und damit eine deutsche (demokratische) Nation herbeigesungen haben.16 Erst im September 2007 wertete Erzbischof Joachim Kardinal Meisner Gerhard Richters neues K lner Dom-Fenster als zu abstrakt und predigte im Zusammenhang mit dem neuen Kolumba-Museum in K ln: Dort, wo die Kultur von der Gottesverehrung abgekoppelt wird , entarte sie.17 Das franz sische Wort chose umfa t allerdings weitaus umfangreichere Darstellungsm glichkeiten, sowohl umgangssprachlich als auch in der Poesie.18 Siehe auch: Sabine Mainberger: Schreibtischportr ts. Zu Texten von Arno Schmidt, Georges Perec, Hermann Burger und Francis Ponge, in: B. Siegert/J. Vogl (Hrsg.): Europa. Kultur der Sekret re, Z rich/Berlin 2003, 175-19219 Francis Ponge: My creative method. Sidi-Madani, Donnerstag, den 18. November 1947, in: Einf hrung in den Kieselstein und andere Texte. Franz sisch und deutsch. Mit einem Aufsatz von Jean-Paul Sartre. bertragen von Gerd Henniger und Katharina Spann. Frankfurt am Main 1986, S. 18920 Francis Ponge: Die Auster (l'huitre), in: Einf hrung in den Kieselstein und andere Texte, a. a. O., S. 5121 Francis Ponge: Schnecken (Escargots), a. a. O., S. 61f.22 Es kann aber auch Victor Cousin gewesen sein, der den Begriff gep gt hat.23 Wenn sie nicht, wie h ufig geschehen, etwa mittels romantizistisch-romantisierender Sch nheit wie bei Carlo Schmitt oder anderen, insofern tot bersetzt wurden, als die b sen, kranken Blumen allzu blumig dahinwelkten. Alle m glichen bersetzer haben sich daran versucht, die meisten sind gescheitert. In der sch nen Suhrkamp-Insel-Ausgabe von 1973 hat Sigmar L ffler die bertragung vorgenommen, und die hat den Vorteil, zweisprachig zu sein.24 Paul Verlaine, St phane Mallarm , Paul Bourget, Artur Rimbau, Gustave Kahn, Henri de R gnier, Jules Laforgue, Francis Jammes und Jean Mor as. Gert Pinkernell: Dichtung des 19. Jahrhunderts, Symbolismus, in: Frankreich-Experte.de (30.08.2007)25 Isabel Greschat: a. a. O.26 Isa Bickmann: Odilon Redon und die Kunst der italienischen Renaisance. Magisterarbeit, Philipps-Universit t Marburg 1993, S. 6027 Bickmann, a. a. O., S. 4 + 5828 Peter Winter meint dazu: Wegen [...] seines einstigen Lehrers Hermann Albert, der beinahe seine gesamte Malklasse mit dem Bazillus der Italienleidenschaft angesteckt hatte . Versponnen im Craquel der Assoziationen, a. a. O.29 Isabel Greschat: Geheimnisse des Paradieses und der Phantasie, a. a. O., S. 1530 Kurt Tucholsky: Es gibt keinen Neuschnee, in: Gesammelte Werke 1925 1926, Reinbek 1993 (181. Aufl.), Bd. 9, S 74f. Aber war das (auch) nichts Neues, das Tucholsky da hervorgebracht hat?31 Peter Winter, Versponnen im Craquel der Assoziationen, a. a. O.32 Johann-Karl Schmidt: Peter Chevalier ber das Sehverm gen der Seele, in: Peter Chevalier, Bilder und Zeichnungen 1988 1997, Ausstellungskatalag Galerie der Stadt Stuttgart 1997, S. 11-14, hier: S. 1133 Wilhelm Bojescul: Vom Eigenleben der Bilder, in: Peter Chevalier. Bilder und Zeichnungen. Ausstellungs-Katalog Kunstverein Braunschweig. 7. 11.1986 4. 01.1987, S. 734 Bojescul, a. a. O., S. 835 Poetische Vernunft. Detlef Bluemler ber Christoph Rihs, in: K nstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 60, 2002, Heft 31, S. 10; La raison po tique (en fran ais)36 Johann-Karl Schmidt, a. a. O.37 Johann-Karl Schmidt, a. a. O.38 Peter Winter, a. a. O.K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 80. 4. Quartal (Dezember), Heft 25, M nchen 2007 F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag;f r die Chevalier-Abbildungen: Peter Chevalier, VG Bild-Kunst, Bonn; Portrait-Photographie: Detlef Bluemler Plastik in der Stadt Pl tzlich starke Zeichen sah M nchens auflagenst rkste Boulevardzeitung Anfang Mai in der Stadt . Und auch die anderen Feuilletons der bayerischen Metropole sch tteten des Lobes volle F llh rner ber ein Ereignis aus, das im Namen Pit Kroke personifiziert ist: berall und nie zu bersehen, vor der Feldherrnhalle, vor dem Nationaltheater und der Residenz, am Obelisk auf dem Karolinenplatz, nahe des K nigsplatzes stehen sie, die Plastiken dieses bislang nicht in Erscheinung getretenen Bildhauers aus Oberbayern und Sardinien, 19 Male in Megalo-Handschrift , wie die Abendzeitung sich verschrieb metaphernhafte, mehr oder minder mi gl ckte Versuche, den ffentlichen Raum zu m blieren.Damit gelang vor allen Dingen den Managern dieses Bildhauers, worum seit Jahren engagierte Fachleute in dieser Stadt, die sich gerne durch die Bevorzugung des sch nen Scheins hervortut, ringen: Pl tze und Orte zur Verf gung zu haben, an denen linear und konzis die Str mungen internationaler Plastik gezeigt werden k nnen. Nach Willen der Kommunalpolitiker (und nicht nur deren) sollte Beuys nicht sein, sollte Serra nicht sein, nicht einmal in geschlossenen R umen. Aber Pit Kroke mu te sein, auch wenn dessen Kunst nicht eben eine hohe ist.Das hat nat rlich Gr nde. Und die liegen im, wie k nnte es anders sein, Finanziellen was nicht weit entfernt ist vom Provinziellen, das sich gerne dort zeigt, wo das Gute so nah ist.Zwei professionelle, sprich am Profit orientierte Kunstvermittler hatten dieses Kroke-Paket geschn rt, indem sie mit Hilfe von Fremdenverkehrsverb nden und Industrie die komplette Ausstellung finanzierten und, quasi gegen Portokostenerstattung, den Gro gemeinden M nchen und Duisburg anboten. Dankbar griff man in der bayerischen Landeshauptstadt, in der man gerade dabei ist, die bereits genehmigten Ausbaupl ne f r die St dtische Galerie wieder zu kippen, zu f r 50.000 Mark. Das entspricht exakt dem Betrag, den Helmut Friedel sich f r sein der jungen Kunst gewidmetes Kunstforum bei privaten F rderern holen mu .Das Frappierendste an dieser kleinkarierten Veranstaltung ist jedoch die seltene Eintracht derer, die ansonsten bei jedem Anflug einer Provinzposse gequ lt aufschreien. Nahezu einhellig sang man ein Loblied auf diese Lichtschliere am Firmament Kunst im ffentlichen Raum. Selbst dann, wenn man zur Ehrenrettung des einen oder anderen Kritikers annehmen m chte, er habe nur Lob gegossen, um ein zartes, auflkeimendes Pfl nzchen nicht sofort wieder eingehen zu lassen, dem sei in seine Hobbyg rtner-Kladde geschrieben: Um der Qualit t Platz zu schaffen, mu man das Mediokre eliminieren k nnen.Weltkunst 12/1990, Kunst in K rze, S. 1894Photographie: Mathias Bigge, Wikipedia, GNU Die Identifizierung der Form mit Substanz Zur Arbeit von Rudolf Wachter eine Einf hrung*Als ich, sehr geehrte Damen und Herren, mir vor etwa drei Wochen gemeinsam mit Rudolf Wachter dessen Ausstellung im Ulmer Stadthaus anschaute, stie ich auf eine berraschung. Das hatte ich, der ich seine Arbeit schon recht lange kenne, zuvor noch nie gesehen: Zeichnungen, genauer: Akte. Nach einer Weile des Betrachtens dieser Akte fiel mir spontan eine Charakterisierung daf r ein: Maserung. Und Rudolf Wachter nickte.Ein paar Jahre ist es her, da er alles andere als nickte, sondern sich vielmehr heftig wehrte, als ich ihm bedeutete, eigentlich sei er ein Romantiker; zumindest, er bef nde sich in der besten Tradition der Romantik. Da war Erkl rungsbedarf notwendig. Denn meine derartige Bewertung sollte alles andere als den Zusammenhang herstellen zwischen seiner Arbeit und dem, was heute meistens dem inhaltlichen Irrtum unterworfen ist: der eben auch so genannten Romantik des abendlichen Herbstspazierg ngers, der die untergehende, zwischen den B umen durchblitzende Sonne genie t oder einfach nur der Romantik des H ndchenhaltens bei Kerzenlicht. Damals, bei diesem langen Gespr ch, waren es andere Worte, die ich gebrauchte, um mit diesem Mi verst ndnis auszur umen.Heute will ich bei meiner Charakterisierung romantisch bleibend darauf verweisen, da das Wesentliche f r die Romantik nicht der Inhalt ist, sondern die Form und das mit einem dialektischen Zitat von Herbert Read untermauern: Man k nnte rasch erwidern, da diese Unterscheidung unreal sei: die Form existiere nicht an und f r sich, um sich mit irgendeiner seelischen Substanz im Schmelzzustand zu f llen vielmehr sei sie die Kristallisierung eben dieser Substanz, sobald sie im Geiste des Dichters [hier die des Bildhauers] erkaltet. Aber wer so denkt , meint Herbert Read, denkt bereits romantisch. Die Identifizierung von Form mit Substanz das gerade ist die romantische Revolution. Diese romantische Revolution ist mehr als das, was Irving Babbitt ihr unterstellte und wie sie heute oftmals und wieder bezeichnet wird, n mlich krude Gef hlsseligkeit . K nstlerische F higkeit ist es, um mit Schelling zu sprechen, nicht kalte Begriffe sich anzueignen leblose technische Regeln , sondern lebendige und lebensschaffende Ideen, welche ihre Evidenz in sich tragen, die Gewi heit, da sie wesentlich eins sind mit der Natur ... Wer nun Rudolf Wachters Identifikation der durch die Natur vorgegebenen Form mit Substanz partout in ein negativ-zeitgeistiges, Geschichte bzw. Kunstgeschichte permanent ignorierendes Denk -Repertoire berf hren m chte, der soll ihn eben, wie so oft geschehen, weiterhin als kologischen K nstler bezeichnen. Von Sachverstand zeugt es jedenfalls nicht. Vielmehr ist es so, wie Hans Gercke in einem Katalogtext zur Arbeit von Rudolf Wachter geschrieben hat: Wer Wachters Arbeiten genauer betrachtet, wird [...] feststellen, da sie alles andere als expressive Illustrationen oder anklagende Hinweise auf die Verletzungen, die der Mensch der Natur und damit sich selbst und seinesgleichen zuf gt. Es geht vielmehr , so Gercke weiter, um eine Balance zwischen dem Gewachsenen und dem Gemachten, zwischen Vorhandenem und vom Menschen verantwortender Ver nderung, um eine Art Dialog also, die aktuell und notwendig ist ... Des K nstlers Rudolf Wachter Material ist das Holz so wie der andere K nstler mit anderen Materialien arbeitet etwa Metall oder Stein auch damit hat er fr her gearbeitet.Mit dem Holz ist er sozusagen zu seinen Wurzeln zur ckgekehrt er hat bei seinem Vater eine Schreinerlehre gemacht. Das ist aber auch das einzig scheinbar Mythische daran. Das, was er fr her mit dem Holz gemacht hat, hat mit den Arbeitsvorg ngen von heute nichts, aber auch gar nichts mehr gemein. Im Gegenteil, vielleicht mit Picasso gesagt, der einmal, angesichts von Kinderzeichnungen und ihren abstrahierenden Linienf hrungen, ge u ert hat: Und dazu habe ich drei ig Jahre gebraucht!Rudolf Wachter arbeitet nicht die Natur nach, er arbeitet mit ihr. Und das ist wesentlich sein Repertoire entstammt der Moderne und deren (ganzheitlichen) Ausformungen! Er f llt, wie eingangs gesagt, die Form mit Inhalt, also mit seinen k nstlerischen berlegungen er beatmet sie mit seinen Ideen. Wer nicht genau hinschaut oder nur Photographien von seinen Skulpturen sieht mir ging das vor Jahren so , meint aneinandergef gte kubische Teile zu erkennen. Wir wissen, da dem nicht so ist. Rudolf Wachter arbeitet immer mit der Kettens ge sozusagen die Konstruktion der Natur, die Gewachsenheit eines Stammes, einer Astgabelung nach und l t so, vermittels seiner Vorberechnung, jene origin re Kunst entstehen, die ihn seit Jahren zum ewig jungen Geheimtip macht.Nach vielen Skulpturen nach Eduard Trier nimmt der Bildhauer vom Material weg und schafft so die Skulptur , w hrend der Plastiker mit ihm aufbaut und so die Plastik erarbeitet , nach all den Jahren ist Rudolf Wachter wieder zu einer Arbeit zur ckgekehrt, die wieder auf eine dem Konstruktivistischen entlehnten Formensprache zur ckf hrt: die hier zu sehende Skulptur Tisch f r ein Kunstgespr ch oder die Kunst, aneinander vorbeizureden . Sie ist nach den selben, zuvor von mir angesprochenen Kriterien angefertigt worden. (Ausk nfte ber Einzelheiten erteilt Ihnen Rudolf Wachter sicherlich gerne im Anschlu .) Dieser Titel, vor allem der Untertitel, eben oder die Kunst, aneinander vorbeizureden , hat sicherlich seinen Ursprung im Werdegang Rudolf Wachters, also und eben auch in der eben immer mehr zunehmenden Bereitschaft der Menschen, an dem, was ihnen gezeigt wird, vorbeizuschauen vorbeizureden. Dieser f r Rudolf Wachter ungewohnt literarische Titel klingt f r mich pers nlich wie ein tiefer, knorziger, allg uischer Seufzer, den ich mit einem Bild von Herbert Read unterstreichen bzw. best tigen m chte:Petrarca war neben seiner Dichtung bekannt daf r, da er der erste war, der einen Berg bestieg, um die Aussicht zu genie en. aber als er den Gipfel des Mont Ventoux erklommen hatte, erinnerte er sich an die Stelle aus den Konfessionen des heiligen Augustin an eine Stelle, die sagt, da Menschen weit gehen, um die H he des Gebirges, die stolzen Wogen der See, die langen Flu l ufe, die weite Fl che des Ozeans und die Kreisbahn der Sterne zu bewundern und Augustin l t sich aus ber die Wunder des Ged chtnisses und der Vorstellungskraft. Er er rtert sogar die allein dem Menschen eigene F higkeit des Denkens, die er definiert als die Zusammenziehung diffuser und erdr ckter Erinnerungen; und es scheint nahezuliegen, da Descartes an diese Stelle dachte, als er seinen ber hmten Grundsatz formulierte. Und der lautete bekanntlich:Ich denke, also bin ich. *Einf hrung Rudolf Wachter, 1. September 1994, 19.00 Uhr, marquardt-ausstellungen, M nchenInnerhalb der Rede gab es teilweise Abweichungen vom Manuskript.Ivo Kranzfelder hat sich ausf hrlichere Gedanken ber die Arbeit von Rudolf Wachter gemacht: Kunst und NaturerkenntnisPhotographie: Andreas Pr fcke (vergr ern), GFDL and Creative Commons CC-BY 3.0Bild 8 [vergr ern] aus der Serie In Bruchteilen von Sekunden, 2005 2006 Ja, K nstler nennt Ihr mich, weil ich nur k nstele. Weil ich nur so tun soll als ob, weil ich nur so tun kann als ob. Ihr tut so, als ob Ihr meine Arbeit sch tzt, weil Ihr glaubt, da sie nichts mit den tats chlichen Realit ten zu tun habe. So haltet Ihr mich hinter vorgehaltener Hand f r einen lustig-bizarren Spinner. So soll ich sein: Ein H ufchen Seele, ein tanzendes Irrlicht, ein buntschillerndes Bl schen, ein weltfremder Tropf. 1So in etwa k nnte Michael Badura sich auch im Januar 2007 ge u ert haben, in seinem Haus im Bergischen Land am Rand von Wuppertal, wo er an der Universit t Kunst gelehrt hat. Denn auch wenn diese Schimpftirade weit ber 20 Jahre zur ckliegt, so spiegelt sie nach wie vor sein Denken, sein Tun. M glicherweise lie e der bald Siebzigj hrige (2008) es heute etwas (alters)weiser angehen, doch inhaltlich hat sich nichts an dem ge ndert, ber das er 1984 gewettert hat: Doch wehe, ich mische mich ein, in Eure Realit ten. Wehe, ich ber hre die Gleichg ltigkeit und die Solidarit t der (Geld-)Macher und Sortierer, der Verwalter und Vollstrecker. [...] So habe ich zu bleiben: Ein manischer Schweber ohne Bodenhaftung, ein herumirrender Derwisch. 2Die fehlende Bodenhaftung hat man ihm in den sechziger und siebziger, aber auch noch in sp teren Jahren vorgehalten. Und wenn das heutzutage nicht mehr so lautstark geschieht, dann d rfte es daran liegen, da Michael Badura keine Schlagzeilen mehr produziert, sondern abseits des Rummels arbeitet. Still, jedoch keineswegs zur ckgezogen , tut er das, was er immer tat und weiterhin tun wird: k nstlerisch die Welt ergr nden. Doch diese Welt ist nicht etwa eine andere als die unsere, schon gar kein Mikrokosmos, der eine k nstlerische Erdachsenverschiebung erfahren hat. Sie ist allerdings auch nicht diejenige, die nach konomischen Wertungen aufgeteilt worden ist in erste, zweite und dritte und vierte Welt oder gar in L nder an Schwellen zur Weltmarkt-Gl ckseligkeit. Die Freuden der globalisierten konomie tragen nicht unbedingt zu Baduras Hochgef hl bei. Diesem Bodenst ndigen ist eher am Erhalt dessen gelegen, in dem wir leben, rubriziert vielleicht unter kologie; jenem Begriff, der vermutlich bald so plattgetreten sein wird wie der der Esoterik.3 kologie bedeutete urspr nglich nichts anderes als die Lehre vom Haus-Halt(en).4Mit dieser Art des Haushaltens hat sich Michael Badura von jeher besch ftigt. Und zwar lange, bevor so manch eine Vorfeld-Gr ne oder ihr m nnliches Pendant das Wort kologie etymologisch bzw. pr parlamentarisch berhaupt geh kelt bekamen. Bereits 1964 entwickelte Badura ein kologisches Laboratorium, in dem k nstlerisch forschend eine Versuchsanordnung aller puren Natursubstanzen und -verbindungen sowie aller denkbaren Vermischungen, Verschmutzungen, Vergiftungen durch chemische und widernat rliche Stoffe und Verbindungen 5 angelegt wurde. Die Eingeweckte Welt wurde im Februar 1967 erstmals in der G ttinger Galerie im Center gezeigt. Dazu schrieb Badura eine fiktive Reportage6, in der die bereits deutlich erkennbare, unumkehrbare 7 Umweltzerst rung beschrieben war. 1967, das war das Jahr, als man in Paris, Berlin und anderswo sich anschickte, intensiver als zuvor das Jahr vorzubereiten, in dessen Folgezeit sich au erordentliche gesellschaftliche Ver nderungen ergeben und das als das Geburtsjahr der 68er in die Annalen eingehen sollte. Die dem Rot der Au erparlamentarischen Opposition, bekannter unter dem K rzel APO, nachfolgende Farbe Gr n sollte als Hoffnungssymbol noch lange dem Poesiealbum vorbehalten sein. Michael Badura hatte die Hoffnung allerdings bereits fahren lassen. Schon 1966 war er ausgewandert: Ich bin auf dem Mond geboren. Es ist nicht lange her, da verlie en meine Vorfahren und mit ihnen viele andere Menschen die Erde, weil sie ihnen anfing unbewohnbar zu werden.Hier auf unserer Mond-Erde sind wir mittlerweile ber alle existentiellen Schwierigkeiten hinweg, und es gibt f r uns kaum noch Probleme es sei denn, wir erf nden uns welche zum Zeitvertreib. 8Das Haus der deutsch-japanischen Familie Badura im Bergischen Land: Das Thema Natur bedarf keiner weiteren Erw hnung. Es ist sichtbar. Das 4.000 Quadratmeter gro e, terrassenf rmig angelegte Hanggrundst ck kl rt auf: Hier wird alles zugelassen, durchaus auch eine gewisse Reglementierung von Natur. Hier geh rt jede Pflanze, jedes Tier, ob einheimisch oder eingewandert, zur zu verstehenden Welt.Es gilt jedoch, Mi verst ndnisse zu vermeiden. Durch dieses Haus schlurft niemand birkenstockartig. Es wird diskutiert, bisweilen gestritten. Es geht ebenfalls um tagesaktuelle Politik. Badura empfindet sich vom Ansatz her eigentlich als Anarchist. Wenn auch alles andere als ein schwarz gewandteter Steinewerfer, sondern sehr vielmehr einer im urspr nglichen, im sp ten 18. Jahrhundert entstandenen Sinn des Begriffes: der herrschaftlosen, gleichberechtigten, aber immer gewaltfreien Gesellschaft.9 Michael Badura w re, lebte er nicht in der Jetztzeit, durchaus dem Umfeld eines Diderot, eines d'Alembert, eines Voltaire zuzuordnen, den franz sischen Enzyklop disten, die sich Mitte des 18. Jahrhunderts der Aufkl rung verschrieben hatten.10 Diese Aufkl rer haben quasi die Sprache der biblia pauperum, der Armenbibel umgekehrt, die mit bestimmt war f r diejenigen, die nicht lesen k nnen. Sie haben die Bilder bersetzt in Sprache die f r immer mehr Menschen langsam zug nglich geworden war. Badura kehrt es quasi um bzw. bezieht sich auf seine (k nstlerische) Kraft des Sichtbarmachens. Nachdem immer weniger Menschen die Sprache beherrschen und immer mehr Bilder gucken, bedient er sie. Er kehrt den zunehmenden Analphabetismus des tumben, unreflektierten Bildkonsums um zugunsten des genaueren Hinschauens. Anders, als weiland Diderot ff. das Bild in Sprache bertragen haben, setzt er nun als F hrmann das Bild ber ans Ufer des Unterscheidungsverm gens.Michael Badura ist Konzept-K nstler, jedoch nicht so akademisch wie Klaus Honnef , nicht im Sinne der US-amerikanischen Concept Art. Lange bevor die Concept Art als k nstlerischer Stil begriffen worden war, hat es sehr viele Bestrebungen bei K nstlern [gegeben], sich konzeptuell auszudr cken gegen ber einer akademischen, traditionellen Kunstaus bung . Weil man gemerkt hat , so Badura weiter, da das Gedankliche, Ideenm ige zu kurz kam zugunsten traditioneller Bildtechniken. Hier setzt die Kunst von Badura an, in Umsetzung einer disziplin berschreitenden Methode, genauer: dem des Versuches, die Welt als Gesamtes zu verstehen, indem er sie nicht als Forscher und auch nicht als Philosoph! untersucht. Das geschieht: Indem man sich mit ganz bestimmten Aspekten gezielt besch ftigt, man versucht, sie [die Welt] vor sich hinzustellen. Sich etwas vorzustellen, ist ja eigentlich das k nstlerische Prinzip. Ich stelle etwas vor mich hin, um es erst richtig sehen zu k nnen, das hei t, ich trenne es, ich l se es aus dem Gesamtzusammenhang, um es besser betrachten zu k nnen. Wir kennen das vom Betrachten einer Skulptur oder Plastik: nur das Herumgehen um diese erm glicht uns den Blick auf Einzelheiten. Oder anders, die Kindheitserinnerung: Wir haben bisweilen das an der Wand h ngende Bild angehoben, um zu erkunden, ob sich etwas dahinter befindet. Dieses Erkennen, Finden ist es, das Badura antreibt.Des Findens, zun chst einmal des Geheimnisvollen oder auch des Reichtums wegen, deshalb lief Badura als Junge im oberfr nkischen Fichtelgebirge11 durch den Wald, klopfte mit dem Hammer Steine auf, weil ich der naiven Hoffnung war, ich k nnte irgendwann eine Goldader oder eine Silberader entdecken. Sp ter wollte er Ornithologe werden. Dann hat er alles Gefieder, B ume, Fl sse, Landschaften abgemalt . Wieder aufgenommen hat er diese kindliche T tigkeit dann als wissenschaftlicher Zeichner im Alter von 23 Jahren (als Gastdozent) an der Kasseler Werkunstschule. Das setzte sich fort an der G ttinger Universit t. Die dort bis 1973 produzierten Lehrtafeln Am ben bis hin zu h heren Tieren h ngen noch dort bzw. sind archiviert. Und nachdem ihn das zu langweilen begann, wechselte er zu den botanischen, den zoologischen Instituten. Daraus ergab sich: Mein Zimmer befand sich zwischen den ganzen naturhistorischen Pr paraten, so da ich von daher ganz selbstverst ndlich auf die Arbeit der Eingeweckten Welt gekommen bin, indem ich dann die ganze Welt speichern wollte, so hnlich, wie sich das ja eigentlich in einem naturwissenschaftlichen Museum auch zeigt. ber diese Eingeweckte Welt schreibt Michael Fehr: [...] eine wirkliche Versuchsanordnung, in der Badura anfangs in f nfzig, sp ter in ber hundert Gl sern verschiedene Stoffe konkret miteinander reagieren l t und damit ein realistisches Bild unseres Umgangs mit der Natur entwickelt, das sich nur noch im Ma stab von unserem realen Operieren in der Welt unterscheidet. Zum anderen ist die Eingeweckte Welt aber eine Fiktion; die Geschichte eines auf dem Mond Geborenen, den seine Neugierde zur Erde treibt, um dort die Verschmutzung und Vergiftung zu studieren, wegen der seine Vorfahren die Erde verlie en; eine Fiktion, die realistisch gemacht wird durch die konkreten biochemischen Reaktionen in den Einmachgl sern; die aber ihrerseits wieder fiktionalisiert werden ber Beschreibungen und Geschichten, die Badura dem Geschehen in den einzelnen Gl sern zuordnet. 12Die Initialisierung des baduraschen k nstlerischen Forscherdrangs fand statt, als ihm 1963 im s dnieders chsischen Barlissen die Bauern erz hlt hatten, ihre K he k nnten das Wasser aus dem Fl chen Dramme nicht mehr trinken. Die Gr nde daf r lagen in der Verseuchung durch Tetrachlorkohlenstoff, damals Bestandteil von Sch dlingsbek mpfungsmitteln. Und als sich schlie lich die daraufhin angesprochenen Wissenschaftler au erstande sahen, dagegen etwas zu unternehmen und sich stiekum wieder ihren alltagsabgewandten Studien zuwandten, thematisierte Badura auch diese Problematik. Wir f hlen , schrieb Ludwig Wittgenstein, da selbst wenn alle m glichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht ber hrt sind. 13Doch auch an diesem Punkt gilt es, Mi verst ndnissen die Nahrung zu nehmen. Badura ist kein verhinderter Naturwissenschaftler. Der ist f r ihn jemand, der im Zerkleinern der Welt einen Selbstzweck sieht. Man kann viele Erkenntnisse nur gewinnen, indem man eine Sache kaputt macht. Ich versuche, die Sache intakt wahrzunehmen. Das Verstehen [von Welt] hei t eigentlich, ein friedliches Ansehen wahrnehmen, im Gegensatz zu der Erkenntnis, die durch Zerst rungszwecke kommt, wie das bei Naturwissenschaften h ufig der Fall ist. Schon Schopenhauer meinte: Die Welt als Vorstellung, sofern sie dem Ursachen- bzw. Endprinzip unterworfen sei, sei Objekt der Wissenschaften, im anderen Fall Gegenstand der Kunst.14 Damit r umte er mit Hegels Idealismus-Anspruch auf. Gott, Paradies, Wahrheit waren dahin. Wie sp ter bei Michael Badura. Der ist eher der Wirklichkeit zugeneigt. F r ihn, sagte er, sei entscheidend, da ein K nstler eigentlich ein Realist sein sollte, im Sinne von Leonardo da Vinci, im Sinne eines m glichst totalen Verst ndnisses als Ausgangspunkt von allem . Der Vergleich mit da Vinci entspringt keiner obsessiven Eigenein- oder gar bersch tzung von Genialit t. Badura bezieht sich in diesem Zusammenhang schicht auf das zu Entdeckende, das (Er-)Finden. (Farbdossiers Freunde, Bekannte und Arschl cher, 1977 1980)Im Jahr von Big Brother, von George Orwells Buch 198415 hatte Badura im Wuppertaler Von der Heydt-Museum die Ausstellung B ro eingerichtet, deren Konzeption 1977 einsetzte: Ein Ort, an dem Menschen zu Akten und das Leben zu b rokratischem Unrat dahinwest. [...] Der Einzelne in der M hle unw rdiger Systeme, in der M hle objektiver Zerkleinerung. [...] Nicht unbedingt immer als Ausdruck sadistischer B swilligkeit, sondern oft schlicht nur als Ausdruck von Phantasielosigkeit und l hmender Unf higkeit an sich, die jeweilige Wirklichkeit in den Griff zu nehmen. 16Er hatte den Gro en Bruder w hrend eines Spaziergangs in der Auslage eines Fachbetriebs f r B rotechnik entdeckt. Nicht ihn pers nlich, sondern, wie Badura erz hlt, dessen Werkzeug, seinen langen Arm und den langen Atem . Commodore war der Name des ersten Rechners, der zur privaten Nutzung auf den Markt gekommen war, und kein Zweifel, der Computer war das ersehnte Werkzeug f r die B rokratie an sich und die M chte dahinter, auch wenn es zun chst nur wie ein abseitiges Spielzeug daherkam .17Als die Allgemeinheit etwa ab 1990 begann, mit Computern zu arbeiten, erhielt sie meist bereits entsprechende Software mitgeliefert auf da diese Rechner (zun chst einmal) wenigstens als verl ngerte Schreibmaschine zu nutzen waren. Doch als Michael Badura 1984 seinen Commodore kaufte, ging zun chst einmal gar nichts. Sogar seine vielen, seine Kunst begleitenden Texte mu te er seinerzeit nach wie vor in die gute alte Reise-Olympia tippen. Dennoch war der lediglich auf 0+1 basierende Rechner das ad quate Werkzeug. Man mu te lediglich damit umzugehen lernen. Und so begann Badura sich in die Technik des Programmierens einzuarbeiten. Die ersten Ergebnisse, Eins und Null digital zusammenzuz hlen, waren allerdings verbl ffend.Denn es sollte sich bald zeigen, wie ausgepr gt Michael Badura digtitale Zeichen zeichnerisch bereits vorweggenommen hatte. In Alexanderschlacht aus dem Jahr 1958 wird das bereits erkennbar. Es setzt sich fort in Organisationen mit Schwerkraft aus den Jahren 1962 bis 1964.Und auch die Stempelbilder verweisen bereits auf die Pixel, mit denen Badura ab 1984 arbeiten w rde: Mit winzigen Quadraten berstempelte er er alte Meister, Skulpturen von Auguste Rodin oder Gem lde von Caspar David Friedrich. Im Vordergrund stand dabei das Erzeugen gleichf rmiger Ma e, die auch in der Masse identisch blieben. Eben die Die Verkleinerung des Lebens , die Reduktion auf das Kleinstm gliche. Das digitale Prinzip , so Badura, ist ein Treppenprinzip, vergleichbar dem Schiffchenversenken, also von gleichen Teilen, die [...] senkrecht, waagerecht, endlos aneinandergereiht sind, im Gegensatz zur organischen Form. Das ist auch eigentlich der Punkt, wo die Geister sich tats chlich unterscheiden und wo auch Feindschaften entstehen. Denn die Welt w rde vereckt . Durch die Digitalisierung w rden (organische) Rundungen vermieden bzw. ausgeschlossen. Badura nennt solche Abl ufe gar einen Brutalisierungsproze , der mit der Digitalisierung anfangs visuell verbunden war .Auf die Babylonier hebt Badura dabei ab. Babylonien: Sumerer, Amurriter, Hurriter oder Kassiten. Sie waren es, die in der Zeit zwischen 3500 und 1000 vor Beginn unserer Zeitrechnung in Mesopotamien nicht nur f r die vielzitierte verbale Verwirrung sorgten, die heute noch gerne als Anma ung des Menschlichen herbeizitiert wird: der Turm zu Babel.18 Doch sie, allen voran die Sumerer19, schufen eine Zivilisation, deren Errungenschaften noch heute die Basis der unseren bilden, bespielsweise: Astronomie, Keilschrift, Mathematik oder das Rad. Dazu geh rte eine St dteplanung, eine Architektur, die ihresgleichen suchte. Man versuchte seinerzeit, mittels geometrisch angelegter Architektur eine wilde, unbez hmbare Natur zu beherrschen, sie zu begrenzen, durch Mauern, W lle oder Z une. Hier zeichnet sich bereits die Einengung des Nat rlichen ab, das wir gerne Ausufern nennen. Aber auch verschiedene Rechen- oder Zahlensysteme verweisen auf eine sp tere Digitalisierung .20Der Beginn Baduras digitaler Einlassung war eigentlich ein kritischer, weil ihm sofort bewu t wurde, da das eine unglaubliche Macht darstellen wird eines Tages, und vor allen Dingen gro e Einschnitte im Sozialgef ge der Menschheit [...] entstehen [...], da viele Menschen freigesetzt 21 werden [...], da viele Prozesse automatisiert werden. Die aus dem Ruder laufende Macht der Automatisierung deutete unterhaltend beispielsweise Charlie Chaplin 1936 in seinem Film Modern Times an, in dem ein Wanderarbeiter in die Maschinerie neuester Technik ger t. Wer wei , was Chaplin aus der (sp teren) Erkenntnis um den Computer gemacht h tte. Gezeigt h tte er m glicherweise die multiplizierte Figur Mensch.Michael Badura hat sie (sich) geschaffen f r seinen (k nstlerischen) Umgang mit der Natur und deren Wissenschaften bzw. deren Gewese darum: den Klon.22 Auch hierbei tritt wieder 1984 auf den Plan: das Streben nach dem Lebewesen, das vollst ndig zu unterwerfen ist. Der Klon als Arbeiter, als Steuerzahler und als Rentenlieferant w re eine naive Vorstellung, wie man jetzt hier der Menschheit helfen k nnte. Doch um diesen belsten Fall eines Nach -Denkens ber orwellsche Schreckensbilder geht es ihm nicht tats chlich. Auch nicht um vorstellbare k nstlerisch dienstbare Geister, hnlich den Zauberwesen bei Goethe, die irgendwelche Dienste einem erweisen und weitgehend autonom, also frei von menschlichem Einflu sind .23 Entscheidend war, da f r mich immer schon interessant gewesen ist, mit den gleichen Methoden zu arbeiten wie die Wissenschaft. Das hei t, ich wollte selber f r mich erst einmal herausfinden, inwiefern man mit dem Computer, also mit einem k nstlichen Mittel, eine m glichst identische, menschliche Gestalt produzieren kann. Wir betrachten erstaunt H hlenmalereien, sehen uns gerne antike Mosaiken an, pr fen den Goldenen Schnitt bei Raffael oder Tizian, stehen verbl fft vor Caravaggios oder Rembrandts Hell-Dunkel-Malereien, schw rmen vom bergang des Impressionismus in den Expressionismus, diskutieren ber l- bzw. Acrylfarben, ber Farbauftrag auf grundierten oder nichtgrundierten Leinw nden sowie photographischen oder Video-Techniken in Installationen24. In der Geschichte der Kunst ist immer heftig ber Neuerungen debattiert worden. Doch dem Computer steht die Branche nach wie vor h chst skeptisch gegen ber obwohl er auch aus der Kunst kaum noch wegzudenken ist.Badura hat lange mit herk mmlichen Mitteln gezeichnet, gemalt, sich, teilweise so manches Konzept vorwegnehmend25, mit Farbe auseinandergesetzt, etwa in den Farb-Dossiers oder seinen Wunschvorstellungen zur Bundeskunsthalle, 1978/79.Geradezu konterkariert hat er sie als perfekt geschlossenes System in B ro f r Orwells 1984. Er hat Objekte gestaltet, mit Draht, Teer, Zement, mit Materialien aus der Natur in der Natur, aber auch im Raum Installationen erstellt, mit Photographie gearbeitet.All diese Sujets sind nach wie vor in seiner Arbeit sichtbar. Nur da er sich eben nach 1984 ausschlie lich der Computertechnik als k nstlerischem Ausdrucksmittel bedient hat. Sie ist ihm eben das, was anderen Leinwand, Pinsel und Palette bedeuten. Der Computer , so Michael Badura, wird einen Siegesmarsch antreten, nicht nur durch einzelne Nationen, sondern er wird international berall sich als das entscheidende Instrument herausstellen [...]. Und die andere Sache ist, da f r mich ein K nstler eigentlich ein Realist sein sollte [...] im Sinne eines m glichst totalen Verst ndnisses als Ausgangspunkt von allem. Und wenn K nstler den Computer nicht verstehen, w rde ich ihnen heute auch absprechen, da sie die Chance h tten, die Welt zu verstehen. Und wenn ein K nstler nicht mehr die Welt versteht, kann er eigentlich f r mich kein K nstler mehr sein, sondern er wird dann automatisch zur Folklore. [...] Wenn zum Beispiel ein Maler ein Sonnenblumenblatt malt, mu er gar nichts von der Sonnenblume verstehen. Wenn er aber anf ngt, mit dem Computer ein Sonnenblumenblatt nachzubauen, wird er auf einmal merken, er mu sich mit der Sonnenblume besch ftigen. Und damit mit der Welt.Anmerkungen1 Aus: Die Verkleinerung des Lebens. F r Konrad Zuse und den Rest der Welt. Wuppertal, 4. 4. 1984, ver ffentlicht in: Andreas Seltzer/Katharina Meldner (Hrsg.), K NSTLERPECH/K NSTLERGL CK, 3 Galerie Friedrichstrasse, Berlin 1985, Talwerkarchiv; hier zitiert nach: Badura-Museum.2 a. a. O.3 Esoterik ist abgeleitet vom griechischen esotoros und bedeutet das Verborgene, Innere; urspr nglich: Geheimwissen f r Eingeweihte (Orden, Logen). Es fand zun chst als Gegenbewegung zur Aufkl rung Verbreitung, die sich, vor allem in der Person Voltaires, in erster Linie gegen die Politik der katholischen Kirche und den ihr anh ngenden Adel richtete, dann verst rkt nach der franz sischen Revolution, als weite Teile der verunsicherten Bev lkerung sich einer verdr ngenden, ins Innere zur ckziehenden Romantik zuwandten. Doch heutzutage kommt Esoterik eher als kostenpflichtiges Nicht-Wissen daher.4 Ebenfalls aus dem Griechischen: oikos = Haus, logos = Wissenschaft, also die Lehre von der Haus-Wirtschaft, wobei auch die Umgebung des Hauses gemeint ist.Doch es ist Florian Felix Weyh zuzustimmen, der diese Definition f r einen archaischen Begriff von konomie h lt (eMail vom 2. M rz 2007 an den Autor). Das verweist, passend zu Geiz-ist-geil, auf ein neuerliches deutsches (Gesellschafts-)Ph nomen: Bio. Bio- pfel aus Chile? Hauptsache gesund. Und billig. Egal, was es (die Welt) kostet.5 Michael Badura: Die Verkleinerung des Lebens, a. a. O.6 Michael Badura: Ich bin auf dem Mond geboren ..., in: Die Eingeweckte Welt. Das Totale System. Eine Projektion. Verfa t 1966, nachzulesen in Baduras virtuellem Museum.7 Soweit nichts anders gekennzeichnet, entstammen die Zitate aus Gespr chen, die der Autor und der K nstler zwischen dem 9. und dem 11. Januar 2007 in Baduras Haus gef hrt haben. Dank an Michelle Westedt f rs Protokollieren.8 Ich bin auf dem Mond geboren ..., a. a. O.9 Die Anarchie nahm ihren Anfang eigentlich ja bereits bei Homer oder Herodet, bei denen es sich noch um f hrerlose Menschen handelte. Bei Aristoteles waren es die Sklaven ohne Herrschaft. Kant, Schlegel und viele andere danach wie Stirner haben jedoch den Weg aufgezeigt: Anarchie sei Herrschaftslosigkeit, allerdings ohne Gewalt. Also alles andere als das, was vermummte Rabauken darunter verstehen.10 Die zwischen 1751 bis 1772 erschienene 28b ndige Encyclop die ou Dictionnaire raisonn des sciences, des arts et des m tiers, gemeinhin bekannt als das Werk von Denis Diderot, gilt als das grundlegende Werk der franz sischen Aufkl rung. Es hatte entscheidende geistige Einfl sse auf die europ ische, letztendlich die Geschichte der westlichen, zivilisierten Welt; wo es im Deutschen Kultur hei t, wird es im Franz sischen Civilisation genannt.11 Dorthin hatte es Mutter Badura deren Mann im Krieg geblieben war v llig mittellos mit ihren drei S hnen hin vertrieben.12 Michael Fehr: Michael Badura. Konkreter Realismus, in: ders: Badura-Werkverzeichnis, N rnberg 1992; dieser Aufsatz analysiert Baduras Arbeit als K nstler-Forscher mit ausgesprochen experimentellen Interessen vortrefflich. Siehe dazu auch Baduras Texte.13 Ludwig Wittgenstein (1889 1951), Tractatus logico-philosophicus. Philiosophische Untersuchungen. Leipzig 199014 Arthur Schopenhauer (1788 1860): Die Welt als Wille und Vorstellung, Z rich 1988 [F. A. Brockhaus 1859]15 Originaltitel Nineteen Eighty-Four, erschienen 1949, deutsch 1950 als 1984. Der Titel entstand durch die Umkehrung der Jahreszahl 1948, dem Jahr, in dem George Orwell (eigentlich Eric Arthur Blair, 1903 1950) das Manuskript zu dieser d steren, beklemmenden Vision eines totalit ren berwachungsstaates zu verfassen begonnen hatte, der nur mit den Mitteln einer extrem ausgepr gten B rokratie funktionieren konnte. Ein erhellender Text von S. Andrew zur Entstehung von 1984 bzw. dessen Hintergr nde ist hier nachzulesen.16 Michael Badura in einer eMail vom 22. Januar 2007 an den Autor17 a. a. O.18 Das biblische babylonische Sprachengewirr als Vergeltung Gottes f r den Hochmut der Turmbauer hat es jedoch nicht gegeben. Der Ortsname Babel wurde aus dem hebr ischen balal (= verwirren) erkl rt. Doch der Name entstammt einer unbekannten Urbev lkerung. Siehe: Ursula Muscheler: Die Nutzlosigkeit des Eiffelturms. Eine etwas andere Architekturgeschichte. M nchen 200519 Die Sumerer sind das lteste nichtsemitische Volk aus dem s dlichen Babylonien, gelegen zwischen Euphrat und Tigris, das in etwa dem heutigen Irak entspricht.Die Bezeichnung Sumerer (auch Sumer oder Schumer) ist akkadischer Herkunft, sie bedeutet Kulturland . Den Sumerern haben wir auch die lteste Vorstellung von Paradies zu verdanken: ewig gr ne und fruchtbare Felder und G rten. Allerdings d rfte es in diesem vor-biblschen Garten Eden keine pfel gegeben haben. Es d rften Feigen gewesen sein, die den S ndenfall ausgel st haben.20 Der Begriff digital ist dem Englischen entlehnt (digit = Ziffer) und leitet sich vom lateinischen digitus = Finger ab. Um zu addieren und oder zu teilen, nahmen die R mer entweder Rechenbretter mit kleinen Steinchen oder einfach die Finger zur Hilfe. [...] Alles, was digital ist, basiert auf einem mathematischen System, das Leibniz 1679 erfand, eine mathematische Sprache, die auch Maschinen verstehen. Das bin re System, auch duales oder dyadisches genannt, besteht nur aus den Ziffern 1 und 0. Zitiert nach: Hilmar Schmundt, in: Die Macht der Zahlen. morgenwelt. magazin f r wissenschaft und kultur.21 wie (Massen-)Entlassungen heute besch nigend genannt werden22 griechisch: klon = Sch ling; eine genetisch identische Kopie eines Organismus'. Bei Pflanzen, Bakterien und einigen niedrigen Tierarten kommen Klone in der Natur ber die Parthenogenese vor, bei Menschen und S ugetieren mit sexueller Fortpflanzung entstehen sie auf nat rliche Weise nur in Ausnahmef llen bei der Geburt eineiiger Mehrlinge.23 Damit spricht Badura international bekanntes deutsches Bildungsgut an: Herr und Meister, h r' mich rufen! /Ach, da kommt der Meister!/Herr, die Not ist gro !/Die ich rief, die Geister,/Werd ich nun nicht los. Johannn Wolfgang von Goethe, Der Zauberlehrling. Zitiert nach: Werke. Hamburger Ausgabe in 14 B nden, Bd. 1, Gedichte und Epen. M nchen 1977. Goethe bediente sich dabei der Vorlage des griechischen Dichters Lukian (120 180 n. u. Z.).24 ein Begriff, den wir vor noch gar nicht so langer Zeit im Handwerker-Branchenbuch gesucht haben25 Laut Michael Fehr nahm er z. B. den radikalisierten Expressionismus, die Diskussion um die gestische Malerei der Neuen Wilden vorweg . Fehr: Michael Badura. Konkreter Realismus, a. a. O.K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 78, Heft 8, 2. Quartal, M nchen 2007 F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Badura-Abbildungen: Michael Badura Exotische Bl te politischer Farbklecks Auftrittsverbot f r Franz Xaver Kroetz an der M nchner LMU (SWF 1978)Anmoderation Redakteurin am Mikrophon ist Friederike Fecht In der bundesdeutschen Kulturlandschaft hat mal wieder einmal einer, der dort qua Amtes das Sagen hat, eine Entscheidung getroffen, zu der anderen, nicht unmittelbar Betroffene, das Wort Zensur oder Reglementierung der Meinungsbildung einf llt.Die Fakten sind bekannt: Der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz hatte eine Einladung bekommen, im Germanistischen Seminar der Universit t M nchen zum Thema Realismus in der Literatur zu sprechen was offenbar, f r sich genommen, noch nichts B ses ist, obwohl Kroetz der DKP angeh rt und seine Theaterst cke mit seiner politischen berzeugung auch durchaus zu tun haben. Schlimmer aber scheint es, da die Einladung vom marxistischen Studentenbund Spartacus ausgesprochen worden ist. Und also verweigerte der Pr sident der Ludwig-Maximilians-Universit t M nchen, Nikolaus Lobkowicz, seine Zustimmung zu dieser Veranstaltung.Diese Entscheidung, als Einzelfall genommen, k nnte als Kuriosum genommen werden, wie es in der d rflichsten Gro stadt der Bundesrepublik vorkommen kann. Aber ganz so harmlos idyllisch erscheint dieses Ereignis nicht mehr, wenn man den Kontext in der Bundesrepublik und in der M nchner Hochschule sieht. Der Verband Deutscher Schriftsteller ist zur Zeit dabei zusammen mit anderen Betroffenen wie den Bibliothekaren und den bersetzern, eine Kommission zu gr nden, die politisch motivierten Behinderungen von Schriftstellern und Lesern untersuchen wird. Der Fall Kroetz, wie es inzwischen hei t, wird sicherlich einer der F lle sein, die sich in den Ver ffentlichungen dieser Kommission finden. Und zum anderen sehen M nchner Hochschulangeh rige die j ngste Entscheidung des Uni-Pr sidenten im Zusammenhang mit anderen Vorkommnissen an der Uni. Zu diesem hochschulpolitischen Aspekt h ren Sie heute einen Kommentar in der Sendung.Weitere Themen sind dann heute: ein neuer Film von John Micklin Silver, der jetzt in den Kinos anl uft, mit dem Titel Zwischen den Zeilen; eine Ausstellung in M nster, die Jochen Gerz unter dem Titel Das L cheln Mona Elz bleibt unerwidert eingerichtet hat, und schlie lich der Bericht ber eine Tagung zur Problematik der Wiedereingliederung autistischer Kinder.Nun aber zun chst zu der M nchner Farce um den Schriftsteller Franz Xaver Kroetz. Soviel noch zur Vorinformation: Donnerstag abends trafen sich im Foyer des Germanistischen Instituts etwa 200 bis 300 junge Leute, die Kroetz gerne zuh rten wollten. Der Autor erschien auch. Aber die ganze Versammlung wurde von Ordnungskr ften der Universit t des Hauses verwiesen.Hier nun also ein Kommentar von Detlef Bluemler:Da diese Veranstaltung nicht zustande kam vom Rektor der M nchner alma mater, Nikolaus Lobkowicz verboten und dieses Verbot best tigt durch die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts, die einen Antrag des Spartakus auf eine einstweilige Anordnung ablehnte mit der betont unpolitischen Begr ndung, das Thema Realismus in der Literatur sei kein eigentlich studentisches Anliegen, auch nicht f r Germanistik-Studenten , da also diese Veranstaltung nicht stattfinden konnte, das hat seine Ursache in einem Erla des bayerischen Kulturministeriums, dem sogenannten Raumvergabe-Erla . Dieser Erla besagt, da Universit tsr ume nur an Veranstaltungen der Hochschule vergeben werden d rfen. Und da Franz Xaver Kroetz, wie es in den Ablehnungsbescheid weiter hei t, kein verbeamteter Hochschulprofessor sei, denn solchen m sse ein Vorlesungsstoff wie Realismus in der Literatur vorbehalten bleiben, dashalb ist das keine Veranstaltung der Hochschule.Verst ndlich. Nur: Es macht staunen, da Uni-Rektor Lobkowicz dem Dramatiker Kroetz, nachdem er ihn ausgeladen, ihn dann sogleich wieder eingeladen hatte, doch in den R umen der Universit t zu lesen. In seinem Brief an Kroetz formuliert er das so: Obwohl ich Ihre literarische Bedeutung nicht so hoch einsch tze wie Sie es offenbar selbst tun, h tte ich keinen Augenblick lang gez gert, eine Veranstaltung, in welcher Sie auftreten, zu genehmigen, wenn eine andere Gruppe als der Spartakus den Antrag gestellt h tte. Der unbedeutende Kroetz, dessen St cke in ber 30 L ndern der Welt gelesen und angeschaut werden, lehnte dieses freundliche Ansinnen ab und schrieb Lobkowicz unten anderem: Der Spartakus sei derzeit im erb rmlichen politischen Klima der Ludwig-Maximilians-Universit t vermutlich noch die einzige Kraft, die es wage, einen Franz Xaver Kroetz einzuladen.Da der Verband Deutscher Schriftsteller gegen diesen durchaus politischen Akt protesierte, ist wohl logisch und sei deshalb hier nur am Rande erw hnt. Ungleich erw hnenswerter ist es, da das politische Klima an der M nchner Universit t in der Tat erb rmlich ist; erb rmlich vor allem deshalb, da, beispielsweise, die Summe der Geldstrafen, die wegen Hausfriedensbruchs ber Studenten verh ngt wurden, die an nicht genehmigten Vollversammlungen teilnahmen, sich mittlerweile auf 50.000 Mark bel uft. Die Vertreterin der Studenten im Senat, Elfi J ger, wurde alleine zu einer Geldstrafe von 2.250 Mark verurteilt. Der Staatsanwaltschaft ist das noch zu wenig; sie legte deshalb Berufung ein. Der Vorg nger von Elfi J ger, Michael Held, bekam als Strafe 500 Mark und vier Monate Gef ngnis. In einer beispiellosen Aktion setzte Lobkowicz am 19. Mai dieses Jahres 600 Polizisten auf 500 Studenten an, die sich im H rsaal 331 zu einer Vollversammlung zusammengefunden hatten. Alle wurden erkennungsdienstlich behandelt. Da nimmt sich der Fall des Klaus U. Schmidt, der inmitten von Examensvorbereitungen relegiert wurde, fast harmlos aus. Schmidts Protest hatte zwar Erfolg, er studiert wieder, aber diese Zwangsexmatrikulation sind keine Seltenheit an M nchens Universit t und nahezu alle wegen der Teilnahme an Veranstaltungen, die von Lobkowicz verboten wurden, entgegen eines Urteils des Verwaltungsgerichts, das die Raumverbote, vor allem gegen linke Studentengruppen ausgesprochen, als rechtswidrig bezeichnet.Bleibt anzumerken, da Veranstaltungen wie die verbotene Lesung von Franz Xaver Kroetz von einer Studentengruppe veranstaltet wurde, die keineswegs verboten ist. In der Tat ist es eine der politisch links orientierten Gruppierungen, die Universit tsrektor Nikolaus Lobkowicz selbst einmal als lediglich politischen Farbklecks bezeichnete. Der Fall Kroetz, so haneb chen er ist, ist angesichts der politischen Monokultur an der M nchner Universit t dann schon wieder eine exotische Bl te eben ein Farbklecks.S dwestfunk Baden-Baden, Kultur aktuell, 19.30 20.00, ?? November 1978; Abschrift der Tonband-Aufzeichnung Die Wahrnehmung des Besonderen im Allt glichen ber Maik und Dirk L bbert R tselhaft ist nicht erst das Unsichtbare, sondern schon das Sichtbare 1, so paraphrasierte Bernhard Waldenfels Paul Klee, der in der Kunst nicht in der Wirklichkeit das Sichtbarmachende entdeckte: sinnliche Wahrnehmung, griechisch Aisthesis. Diese antike (Grund?-)Erfahrung des Menschen bestimmt bis heute dessen Verh ltnis zur Welt (oder auch nicht).Ring, 24.09.1995, 7:03 7.32 Uhr (Bild 1 von 3), Via Pietro Micca, I-Torino/TurinF r Maik und Dirk L bbert ist dies das logische, zentrale Thema. Die Wahrnehmung der Umwelt, die Beziehung zwischen Wahrnehmen und Erkennen et vice versa, genauer: des Umfeldes, war, lange vor den (Er-)Kenntnissen der Politiker, Aufgabe der K nstler.Im Mittelpunkt der Arbeit von Maik und Dirk L bbert steht das Allt gliche und Unauff llige, das insofern eine ungewohnte Aufmerksamkeit erf hrt, als es vom Betrachter mit des K nstlers Auge zu sehen, zu erkennen ist: das ob seiner logischen Schlichtheit Frappierende. Die Br der L bbert betreiben sozusagen Behindertenhilfe, indem sie durch ihre Setzung von Zeichen den vom Sinn berreizten, quasi den Blindgewordenen das Sehen, wenn nicht berhaupt, so doch neu lehren. Nicht nur sichtbar zu machen, ist die Intention der Br der L bbert, sondern auch sehend.2Die Auseinandersetzung der L bberts mit dem Ort, an dem sie ausstellen und/oder vor bergehend leben, ist das Hauptelement ihrer Arbeit. Ihre Wahrnehmung, das bewu te Sehen, Erkennen und Erfassen der Situation bilden das k nstlerisch-intellektuelle Zentrum. Hinein spielt deshalb immer auch die Geschichte des jeweiligen Ortes; Geschichte ist kulturelle Entwicklung, also Kulturgeschichte. Aber auch jede Raumauffassung, -gliederung bzw. -orientierung bedingt das philosophische innere Eingehen auf die um uns aufgetane Weite der Welt 3, wie auch die Erfassung gleichwertig aus Sinneswahrnehmung und Sinnwahrnehmung besteht.4 Es ist so ein ber-sinnliches, ein denkendes Einkreisen, dann Erfassen des jeweiligen Ortes, Raumes in situ , das, als L bbertsches Ergebnis, von einem intellektuell-spielerischen Intermezzo bestimmt wird.So entstehen auf den jeweiligen Raum bezogene Arbeiten, die aus ver ndernden Eingriffen in die architektonische Substanz bestehen. Doch ist die Architektur dabei nicht Bildtr ger, Podest oder Podium postornamentaler artistischer Leistung. Sie ist Teil bzw. Resultat eines Trigespr chs, in das die Br der L bbert sowohl Skulpturales als auch Malerisches einflechten, allerdings immer unter Bezugnahme auf den H hlen -Bewohner Mensch.Schon in den fr hen Arbeiten ist die intensive Besch ftigung mit dem qua Situation von der Architektur gepr gten menschlichen Umfeld sichtbar. Die Sperrm llarbeiten von 1985 bis 1987 beziehen sich stets deutlich auf ihre unmittelbare Umgebung. Die Artefakte der Ensembles, gefundene M bel und sonstige, allt gliche Gegenst nde objet trouv ? schmiegen sich in ihrer jeweiligen Bedeutungslosigkeit regelrecht ein in die Situation, werten sich und den Ort durch die jetzt ber die Kombination irritierende Vieldeutigkeit jedoch wieder auf.Nach orts- bzw. platzbezogenen Arbeiten kristallisierte sich bei den Br dern L bbert zunehmend das Interesse an der festgef gten Architektur heraus. Mit Integrationsobjekt Kanalstra e lassen sie den im Normalgang Vor bergehenden zumindest kurz innehalten: Eine eigentlich unauff llige Kaufhauswand in Hannover hat durch eine minimale Ver nderung die Gewohnheit, die typisch deutsche Innenstadt-Alltagsarchitektur aus dem Lot gebracht.Sie greifen Form und Struktur der Kaufhausfassade auf. Ein rechteckiger K rper lehnt schr g gegen die H userwand; der vorhandene Stromkasten wird durch eine Aussparung integriert; der K rper ist mit den gleichen Klinkern verkleidet wie die Wand, allerdings wird er um 90 Grad gedreht. Diese unsere Arbeit , so Maik und Dirk L bbert, korrespondiert u. a. mit den Schaufenstervitrinen und der gekachelten Fassade, d. h. mit den f r uns bereits vorhandenen Bildern, Skulpturen und Reliefs dieser ausgew hlten Innenstadtsituation .5 So vollzieht sich, wie Lothar Romain schreibt, eine Transmission von Fassade in Skulptur .6Die Aufmerksamkeit soll auf die physische Beschaffenheit der R ume, auf die Architektur gelenkt werden. Deshalb benutzen die Br der L bbert Materialien, Formen und Elemente, die entweder an den jeweiligen Orten bereits vorhanden oder aber typisch sind f r die Region. Da sind Stoffe, mit denen die Menschen ihren Lebensraum gestalten: Tapeten, Lampen, Farbe. Aber auch mit Wasser, Rotwein oder Steinkohle arbeiten sie, wenn dadurch ein Bezug zur Umgebung hergestellt ist. So lassen sich auch die Formen fast immer aus der vorhandenen Architektur ableiten; meist handelt es sich um geometrische Grundformen wie Kreis, Ring, Dreieck und Ellipse. Beispielsweise malen sie in K ln-S lz mit Wasser auf den B rgersteig ein gleichschenkliges Dreieck, das die H userecke aufgreift und allein durch den Hell-Dunkel- sowie Trocken-Na -Kontrast sichtbar ist.K nstler, die in der florentinischen Villa Romana weilen, werden vermutlich immer mit einem kulturhistorischen Aspekt dieser Region konfrontiert: dem toskanischen (Rot-)Wein. Ihn haben die L bberts als Material genutzt, indem sie mit dieser nat rlichen Farbe auf eine Wand eines weiteren kulturhistorisch bedeutsamen Aspekts , dem eines Klosters, einen Kreis malten. Doch bei allem k nstlerischen Witz: Hier bildete die Freskomalerei den Quasi-Hinter- bzw. Untergrund f r ein tief einziehendes, jedoch gleicherma en verg ngliches Bild .Wo soeben noch Humor mit kulturhistorischer im Sinne einer sthetik, die ihre Wurzeln im (heute so mi verst ndlichen wie mi brauchten) Begriff Sch nheit festgemacht hat, also vor der Mitte des 18. Jahrhunderts Brillanz gepaart ward: Mit der der Beleuchtung von 1997 bricht der L bbertsche Witz konterkarierend in den heimeligen ffentlichen Raum ein in die Nostalgie, in die verkl rende Erinnerung.7 In der Skulpturenmeile der Stadt Schwerte stand bereits eine dieser, die gute alte Vergangenheit herbeiziterenden Stra enlaternen. Maik und Dirk L bbert setzten die Haube Neu-Alt aufs rechte Licht, indem sie eine Laterne neuesten Typs, eine der sogenannten Gro stadtm blierung dar berstellten.Es ist auf der einen Seite der Respekt, mit dem die L bberts einer kulturellen Entwicklung ihre Reverenz erweisen, andererseits aber auch die deutliche Kritik an ihr, die dieses K nstler-Paar kennzeichnet. Dabei sind Verbeugung sowie Ablehnung bildlich/r umlich zur ckhaltend, in der Intention allenfalls ein wenig ketzerisch formuliert. Ihre Kunst erkl rt sich in einem verhaltenen Ausdruck, der die These von Renato de Fusco von der Architektur als Massenmedium bzw. die von Henri Lefebvre aufgreift, die den Alltag als eigentliche menschliche Realit t umrei t.Die L bbertsche Seh-Schule bringt den festgezurrten Kreis des Abgestumpften ins Ausfransen. Selbst der Flaneur (ob in K ln-S lz, in Hannover oder) im sauerl ndischen Schwerte wird sich zun chst gar nicht wundern, um dann schlie lich doch die Schritte zur ckzugehen, die ihn angesichts der Beleuchtungs-Beleuchtung weiterbringen es sind die minimalen, kaum feststellbaren Ver nderungen am Ort, im Ort, an der Architektur, die den Rezipienten auf die Welt dieser anderen Realit t bringen (oder auch nicht).Wie der Mensch die Architektur, in der er sich st ndig aufh lt, kaum und selten semiotisch erfa t, nimmt er auch die Bewegung weniger wahr. Letztere greifen Maik und Dirk L bbert u. a. mit ihrer Arbeit von 1988 in der Universit t D sseldorf auf: Im 5. Stock des Geb udes befindet sich ein Kreis aus dunkelgrauem Teppich, der so gelegt ist, da sich ein Teil des Kreises in den Aufzugskabinen befindet. Sind die Aufz ge in Bewegung, fahren die Teilsegmente mit. Da ein Teil des Kreises somit immer in Bewegung ist, schlie t sich der Kreis nie. Und hierbei geht es, wie Annelie Pohlen schreibt, nicht um Projektionen eines geometrischen Weltbildes, sondern [um] ein physisch und geistig erfahrbares Konzept von Bewegung zwischen allen Polen der Erstarrung, auch solchen der vermeintlichen Mobilit t, wie sie die gegenw rtige Gesellschaft bis zur Selbstersch pfung zelebriert .8Mit ihrem Kunst-am-Bau-Projekt Teich + Stege im niederl ndischen Tilburg variieren die L bberts das Thema Bewegung und greifen zugleich die Architektur wieder auf, dringen in st dteplanerisch sklerotische Denk-Strukturen ein. Sie lassen einen Teich mit zwei Stegen anlegen, die von gegen berliegenden Seiten in ihn hineinragen. Es sind Wurmforts tze des vorhandenen ffentlichen Radwegenetzes der Stadt. Doch sie zerrei en dieses Netz, indem die Spuren zwar Parallelen aufweisen, aber aneinander vorbeif hren bzw. im Nichts des Wassers enden.Hatte der Unaufmerksame an anderen L bbertschen Orten noch die M glichkeit, unerkannt weiterzu- kommen : Hier wird er radikal in seine (nicht nur visuellen) Grenzen zur ckverwiesen; mit viel Gl ck f r die sich aus der Wahrnehmung verabschiedende Menschheit?) wird er bei seiner R ckkehr in die st dteplanerische Wohlbeh tetheit ber seine gewohnten Wege (m glicherweise) nachdenken. Die Arbeiten von Maik und Dirk L bbert sind nie von einem Zentrum aus zu (er-)sehen. Sie sind, wie die des Bildhauers, des Architekten zu ergehen, zu umgehen, um ins (geistige) Zentrum zu gelangen: dreidimensional, nein: mehrdimensional, vielschichtig eben.Deutlich wurde das 1997 im Kunstverein Bonn. Im Gang der Artothek hatten sie in die Wand eine ffnung gebrochen, deren Ma identisch war mit den Abmessungen der dort aufgeh ngten Bilder. Durch diese ffnung wurde der (andere) Blick in den Ausstellungsraum des Kunstvereins m glich.Das Welt-Bild der Renaissance, die Vorstellung vom Gem lde als einem ge ffneten Fenster in die Welt (finistra aperta), ist hier aufgegriffen, der imagin re Bildraum durch den realen ersetzt. Die Kunst (und in diesem Fall ist die Koppelung mit der Architektur statthaft) wird via Maik und Dirk L bbert ber die verschiedenen (Seh-)Ebenen reflektiert und somit auf diesen veritablen Widerspruch zur ck- gehoben : was sie ist und was sie sein mu : ohne Sockel, sondern vielmehr mit geistig-historischem berbau versehen et vice versa.Anmerkungen1 Bernhard Waldenfels, Ordnungen des Sichtbaren, in: Gottfried B hm (Hrsg.), Was ist ein Bild?, M nchen 1994, S. 2332 Ebenda3 Victor-Emil von Gebsattel, in: Alexander Gosztonyi, Der Raum, Geschichte seiner Probleme in Philosophie und Wissenschaften, Freiburg/M nchen 1976, Bd. II, S. 9594 Wolfgang Welsch, Zur Aktualit t sthetischen Denkens, in: Kunstforum International, Bd. 100, April/Mai 1989, S. 1345 Lothar Romain, Die Zur cknahme von Selbstdarstellungen, Vom Hinstellen zum Vor-Stellen von Kunst in der Stadt, in: Kat. Im L rm der Stadt, 10 Installationen in Hannovers Innenstadt, hrsg. v. Lothar Romain, Hannover 1991, S. 176 Lothar Romain, a. a. O., S. 177 Ein von Wolfgang Ruppert gepr gter Begriff; Nostalgie: Verkl rung der Erinnerung8 Annelie Pohlen, aus einem unver ffentlichten ManuskriptK nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 43, 3. Quartal, Heft 43, M nchen 1998;Mitarbeit: Anne Schloen F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Abbildungen Maik + Dirk L bbert Poetische Vernunft ber Christoph Rihs K nstler ist jemand, der darauf besteht, hinter den Aussagen, die er trifft, selber sichtbar zu bleiben, nicht wie in der Wissenschaft, wo in einem hohen Grade anonymisiert werden soll bis hin zu der Anonymit t der Aussage eines Gesetzes, als sei es vom Himmel gefallen. 1 Das sind Bazon Brocks Worte. Lucius Grisebach ist ebenso gegen eine namenlose Kunstbetrachtung, doch er warnt: Es geschehe h ufig, da man die K nstler nicht ihrer Kunst wegen liebt, sondern weil sie dem B rger so sch n verloren erscheinen .2 Die Schweizer , so Bertrand Theubet, berleben eben eher, als da sie leben. 3 Christoph Rihs ist Schweizer. Geboren ist er im libanesischen Beirut. berlebt hat er in Biel oder Bienne. Dort hat er seine Maturapr fung absolviert. Dazu geh rte das Franz sische. Es liegt hinter dem sogenannten R sti-Graben, der auch Mentalit ten trennt. Und beim letzten (wirklichen?) euro-mondialen Grenzh uschen setzt eine andere der vielen schweizerischen Sprachen ein: das Italienische. In ihm hat Rihs sich ebenfalls einige Zeit wie in Mamas Sprach- und Mentalit tscho gef hlt. Unter anderem 1983 bis 1984 in Rom. Entscheidende, lange Jahre stand sein Atelier im rheinischen D sseldorf, wo er studiert hat. Im burgundischen Bourguignon ruht ein ehemaliger Bauernhof. In dem erwartet man jeden Augenblick, da es hei t Film ab und die Pariser zur Landpartie des Week-ends einrollen. Doch es kommt ein eher derber Kastenwagen. Aus ihm h pfen dann: franz sischer Hund, US-amerikanische Mutter einer gemischten Tochter und der dazugeh rige Papa. Man m chte die Internationale singen.Die Rihs-Familie hat eine davon erhellte Wohnung inmitten der Heim-Stadt der deutschen Klassik: Weimar. Doch nicht in der heimeligen Stadt der Goethe-Aufkleber lebt die Rihs-Familie (auch), sondern in der Heimstatt der Bauhaus-Universit t. Bauhaus die Werkstatt der Moderne. Am Bauhaus herrschte eine Vernunft, deren Aufkl rungskanal so berechnet war, da der bisweilen ausufernde Wildbach Romantik (s)eine Aue hatte. Aus Libert , galit , Fraternit flossen Vielfalt, Ganzheit, Einheit und wieder zur ck. Jeder Mensch ist ein K nstler. Das hat Beuys so nie gesagt. Beuys meinte allenfalls, jeder Mensch sei kreativ. Beuys kannte die Romantik gut. Sein vielzitierter anderer Kunstbegriff ist in ihr, ist (auch) in Novalis beheimatet. Vielleicht ist es Beuys ja so ergangen wie dem armen Juden bei Kurt Tucholsky. Der erfand eines Tages etwas: die Differentialrechnung. Doch als er in die gro e Stadt kam, stellte er fest, da sie bereits erfunden war. Es gibt keinen Neuschnee.4Christoph Rihs entdeckt ebenfalls st ndig Neues im Bestehenden, zum Beispiel in der Geometrie, diesem Teilgebiet der Mathematik, das aus der Besch ftigung mit den Eigenschaften und Formen des Raumes, wie der Gestalt ebener und r umlicher Figuren, Berechnung von L ngen, Fl chen, Inhalten [...] entstand .5 Er wei um diese Vernunft, die sich aus der Verkn pfung von Erkenntnissen ergibt. Geometrie? Orientierung: Das hei t, sich zurechtfinden, meint die Wahl treffen zwischen mehreren M glichkeiten und sie zusammenf gen zu k nnen zum erw nschten Resultat eines verhei ungsvollen Weges: Erfolg- oder gewinnversprechend. Die urspr ngliche Bedeutung kommt aber von Orient (ex oriente lux; aus dem Osten [kommt] das Licht) und bezieht sich auf die Anschauung, da alle Kultur (wie die Sonne eben?) aus dem Osten kommt (Ausrichtung nach Osten z. B. der Kirchen, Ch re, Alt re). 6Orientierungshilfen haben Christoph Rihs von klein an fasziniert. Fr h hat Rihs das (Karten-)Lesen spannender empfunden als (Fern-)Sehen. Er zog eben lieber auf der Landkarte eine (gedankliche) Linie. Landkarten. Kartographie. Geometrie. Die Geometrie ist das Denkmodell des Menschen. Und das Spannende daran , so Rihs, ist ja, da der Mensch ohne Denkmodell nicht leben kann. 7 So wuchsen anf nglich farbige Linien oder Objekte aus Holzleisten auf Fu b den oder W nden. In Dufourstr. von 1981 ist es Kreide. Es sind Bewegungsabl ufe. Rihs hat eine bestimmte Anzahl von G ngen festgehalten. So entstanden Bilder, hnlich denen eines Ballett nzers , wie Marie-Luise Syring feststellt. Aber diese Arbeit hatte weder etwas mit den ritualisierten, abstrakten Bewegungsmustern eines T nzers zu tun, noch ging es darum, den Raum zu ermessen, abzuschreiten oder irgend zu erfassen. [...] Welche Bedeutung die Aktionen des umhergehenden Besuchers hatten, ob sie durch Anziehung oder Absto ung hervorgerufen waren, das wird an den Linien nicht ablesbar. Eine psychologisierende Lekt re bleibt also ausgeschlossen. 8 Christoph Rihs wollte den mechanischen Sehvorgang verdeutlichen, dieses Abbild, das wir im Augapfel selbst tragen, als ein materielles Bild, das man wieder nach au en tragen kann, einen Zug mit Linien, mal Wollf den mit Gummiseilen oder Kreidelinien auf dem Fu boden . Marie-Luise Syring legt in ihrer luziden Analyse jedoch quasi wegweisend nach: [...] die Interaktion zwischen Objekt und Mensch. Die Dinge wirken ber unsere Sinne hinaus und vornehmlich ber das Auge auf den Geist, das hei t, die Erkenntnis und die Handlungsweise des Einzelnen (Maurice Merleau-Ponty hat dies auf bestechende Weise in L' il et l' sprit, 1964, beschrieben und u. a. damit den idealistischen Begriff der reinen Vernunft seiner Kritik unterzogen), genau wie unser Handeln auf die Dinge einwirkt. 9 Der franz sische Existentialist und Ph nomenologe Merleau-Ponty in einer Richtung zu denken mit Hedwig Conrad-Martius, Emmanuel L vinas, Paul Ric ur und Edith Stein bezeichnet den Leib als unser Sein zur Welt . Er ist der Ort, in dem Sprache, Wahrnehmung, Handlung und Orientierung (sic!) auf andere wie auf die Welt stattfindet.10 Ein menschlicher K rper ist vorhanden, wenn es zwischen Sehendem und Sichtbarem [...], zwischen einem Auge und dem anderen [...], wenn jenes Feuer um sich greift, das unaufh rlich brennen wird [...]. 11Christoph Rihs stellt den Betrachter, den Menschen ins Zentrum seines Zentrums, seines Globus, seines Weltbildes. Manchmal ist diese Welt wie im richtigen Leben sehr klein und komisch (mondo mio, 1984; der Globus oben links). Doch dann wieder ver ndert sie sich und ihr Bild. Es ergeben sich die unterschiedlichsten Perspektiven. Dann entstehen Weltbilder (1991).Manchmal werden sie begraben: L'enterrement (1989). Oder sie sind Vorl ufer f r Vorbilder. Video. Ich sehe. In einem Videoband f r ein Projekt der RWE laufen im historischen Zeitraffer Kathedralen ab: Pyramide, Tadsch Mahal, Minarett (ex oriente?), Pisa, Eiffelturm, Wasserturm, Fernsehturm K hlturm. Christoph Rihs' Weltbild auf dem 131 Meter hohen K hlturm 1 (auch hier) des Gaskraftwerks Meppen im Emsland erhielt 1994 den einstimmigen Zuschlag der Jury unter dem Vorsitz von Ulrich Krempel. F r das RWE-Vorstandsmitglied Werner Hlubak lag die Faszination vor allem im Hinweis darauf, da die Welt Strom braucht, Elektrizit t braucht . Christoph Rihs schmunzelte dazu seine An-Sicht: [...] da das Weltbild stark genug ist, etwas anderes hervorzurufen .12 Und siehe: Beispielsweise zwischen diesem Rihsschen Weltbild und der verniedlichenden Bemalung des s dfranz sischen Kernkraftwerkes Cruas-Meysse (weitere Abbildung) an der Rh ne liegen Welten. Nicht nur wegen des Unterschieds zwischen Gas und Atom. Das eine ist der Schaffenstrieb des Menschen , so Rihs, das andere ist, was man mit dem, was man getan hat, eigentlich angerichtet hat. Dies korrigierend zu untersuchen, das ist mein Arbeiten. Wenn ich meinen Verstand benutze , stellt Bazon Brock fest, um die Mechanismen aufzukl ren, denen ich im Denken, im Sprechen unterliege, dann ist das ein reflexiver Akt. Und das ist in der Kunst immer der Fall gewesen, denken Sie beispielsweise an Maler wie Magritte, die ihre ganzen Themen uvres nur aus der Aufkl rung ber diese reflexiven Mechanismen gewinnen. [...] Wir k nnen Maschinen bauen, da gibt es ein bestimmtes Tun, die Folgewirkung dieses Tuns k nnen wir aber nicht auf die gleiche Weise bew ltigen wie das urspr ngliche Maschinenbauen oder das urspr ngliche Produzieren. Das sind Mechanismen, die die Kunst seit 500 Jahren erkl rterma en zu ihren entscheidenden Fragestellungen gemacht hat, deswegen ergibt sich auf ganz nat rliche Weise ein enger Zusammenhang zwischen k nstlerischen und sthetischen Problemstellungen einerseits und den kologischen Debatten andererseits, soweit berhaupt eine Chance besteht, diese kologischen Debatten ernstzunehmen. 13 Jeder K nstler , meint Christoph Rihs, durchl uft mit jeder Arbeit erneut die Stadien der Suche nach formalem und inhaltlichem Ausdruck. 14 Die Welt ist angeeignet, funktionalisiert, entmythisiert und entromantisiert , schreibt Andr Lindhorst, sich auf Rihs' Arbeit beziehend.15 Entromantisiert? Eine Ruine ist uns geblieben: die schlaffe H lle der Pandora. Und unser Sehnen flattert feixend um uns Ahnungslose herum. Doch woher soll der modern Aufkl rungswillige es auch wissen, er, der auch der Information wegen in Kunstausstellungen geht? Der Katalog zu vier Jahrhunderten spanische Malerei erl utert das Stilleben, das Bod gon, das aus dem Keller, der rmlichen Spelunke kommt, als ein ein lustiges Cabinett mit allerlei E barem, was im spanischen Klima w chst .16 Da die dargestellten Gegenst nde der Stilleben [...] in symbolischem und theologischen Sinn auf den Menschen verweisen, in Bildern die Welt deuten oder an die Verg nglichkeit alles Irdischen , wird erst gar nicht (mehr?) erw hnt. Weder in einem der f nf Katalogaufs tze noch in einer der Bildbeschreibungen wird auf die religi se, ergo politische Symbolik der Stilleben hingewiesen, etwa, da im Granatapfel die Einheit der Kirche mit ihrer gro en Menge an Gl ubigen aufgeht oder er auch als Zeichen der Auferstehung gilt. 17Der Mensch von heute habe sich die Erde zum Gegenstand seiner globalen Projektionen gemacht, h lt Andr Lindhorst fest. Wie fragw rdig diese sind, darauf weist die Kunst von Christoph Rihs hin. 18 Mit diesem Satz beatmet Lindhorst in Rihs allerdings etwas, das er eine Sentenz zuvor beerdigt hatte: die Romantik. Der K nstler Jochen Gerz, alles andere als ein Priester des entkernten Gef hls, meinte: In der Romantik kommt es zur Panne des Auftrags, eigentlich ein sch ner Moment, unglaublich scharf und ohne jede Entschuldigung. Scharfgestellt wird auf die Kunst [...]. Die Kunst ohne Dauer, Publikum, Auftrag. [...] Das ist auch politisch. Das entspricht einem fast franz sischen Begriff des Politisierten [...]. 19Der Begriff der Romantik ist aus dem des Romans abgeleitet. Die Romantik leben war gleichbedeutend mit La vie est un roman das Leben ist ein Roman . So bedeutet Romantik auch, hier ber Novalis: Chaotisieren, verwirren, anarchisieren das waren Begriffe und Praktiken, die die Fr hromantiker durchaus positiv verwandten. 20 Und das liest sich so: Billig stellt der K nstler die Th tigkeiten oben an, denn sein Wesen ist Thun und Hervorbringen mit Wissen und Willen, und seine Kunst ist, sein Werkzeug zu allem gebrauchen, die Welt auf seine Art nachbilden zu k nnen, und darum wird das Princip seiner Welt Th tigkeit, und seine Welt seine Kunst. Auch hier wird die Natur in neuer Herrlichkeit sichtbar, und nur der gedankenlose Mensch wirft die unleserlichen, wunderlich gemischten Worte mit Verachtung weg. 21 Paul Eluard bemerkte, dem Romantiker sei der Inhalt eines Wasserglases ebenso von poetischer Bedeutung wie der Meeresgrund. Ein K nstler kann k uflich sein , meint Christoph Rihs, und sein Produkt, eine Materialisierung seiner Forschung , ist nat rlich zu kaufen. Aber damit hat man nicht die Kunst gekauft; diese sprie t hnlich wie eine Eselsdistel, weitverzweigt unterirdisch, um da aufzutauchen wo man sie vielleicht erwartet, aber oft dort, wo wir sie nicht erwarten. 22Vernunft und sthetikVernunft ist kein abstraktes Gebilde, das man wenden kann, wie's das geldwerte N tzlichkeitsprinzip w nscht. Vernunft ist das Si cle des lumi res, das Zeitalter der Erhellung (des Geistes). Sie ist gleicherma en D scartes' physikalisches wie philosophisches Licht. Aber sie ist ganz sicher auch laisser-faire : dem Sein der Eselsdistel den Weg lassen. Bei Douglas Adams wird der Mensch von der Labormaus an der langen Leine gehalten, im Universum.23 Rihs taumelt schmunzelnd durchs All, durch sein Egoversum : Aus Realit t und Vorspiegelung, einer Mischung aus beiden, setze ich meine Wirklichkeit zusammen. 24 Sein Maik fer flieg!, entlehnt dem Kinderlied aus der Zeit des drei igj hrigen Krieges, mag an dieses Gemetzel erinnern. Es kann jedoch genauso ein kindlicher Brummkreisel sein, der die Adamssche Bauflotte der Vogons st rt, die den Auftrag hat, die Erde zu sprengen. Sie torkelt, sich den Pl nen einer intergalaktische Einbahnstra e widersetzend, durchs All. Ich finde es eine seltsame Formulierung, wenn ein K nstler sagt, wonach er sucht. Ich kann es nicht. Ganz bestimmte Sachen tauchen bei mir repetetiv auf. Aber formulieren, was das ist, kann ich nicht. Auch die Wahl des Stoffes seiner Vor-Stellungen ist dabei v llig ohne Belang. Ich w hle nicht ein Material, weil ich mich damit gl cklich f hle, sondern ich gehe damit intuitiv um und frage sp ter nach der Technik. Wir stehen am Ufer des schweizerischen Neuenburger Sees und sind verzaubert vom Schilf, das da aus dem Morgennebel auftaucht. Genau so flirrt es durch unser Wissen, dieser Seele des 18. und noch 19. Jahrhunderts, in unserer romantischen Verz cktheit, Entr cktheit. Gerade heute, im technoiden Zeitalter, w nschen wir uns so die Tage, die Natur, die uns aufhebt, die gegen den Raubbau an ihr h lt. Ruhe. Stille. Beinahe so sch n ist's, als ob Caspar David Friedrich es gemalt h tte. Gar des sehr fr hen Romantikers Antoine Watteau Einschiffung nach Kythera von 1717 f hrt uns in die Sinnlichkeit. Arkadien. Die Sonne durchdringt den Nebel, dr ngt durch, hebt ihn auf. Der Kopf wird entwattiert, ent u ert sich. Ger usche. Ein Klingeln. Ist's das L uten der schrecklichen Wirklichkeit? F rwahr. Ein Trugbild war's. Aus dem M chtegern-Welt-Bild wird eine rauhstelzige Realit t. Das Schilf besteht aus Angelruten. An ihnen h ngen Schellen, wie man sie (auch) aus der allemannischen Fa nacht in den Ohren hat: Fischbi anzeiger-Gel ut, das zeigt, da wir am Haken h ngen. Es hallt uns in den Ohren, dieses homerische, schallende, nicht endenwollende Gel chter aus der Ilias und der Odyssee des Christoph Rihs: Schilf (2002). Ich kann nicht pr zise sagen, warum ich Kunst mache. Ich versuche, Probleme zu l sen. Christoph Rihs l st unsere Probleme sthetisch. Doch sthetik bedeutet nicht mehr die Lehre vom Sch nen , ist nicht mehr die apollinische Form ohne Tiefe, das klassische Ideal ihres Beschw rers Johann Joachim Winckelmann. sthetik meint seit der Aestetica aus den Jahren 1750/1758 des Alexander Gottlieb Baumgarten die Darstellung unterschiedlicher Auffassungen. Dann hei t das , so Bazon Brock: wir brauchen gar keine Antwort auf die Frage, das Interessante ist bereits die Frage selbst, n mlich: Wie kommen die unterschiedlichen Urteile angesichts gleicher Urteilsgegenst nde und ziemlich gleicher Ausr stung aller Menschen mit dem gleichen Urteilsapparat zustande, vor allem, was bedeuten diese unterschiedlichen Urteile? 25So kann aus einem Schiff ein Fisch werden und der wieder zum Schiff oder zu einer anderen Erkenntnis (Schiff, 2000). In Erfurt hing dieses Hybridwesen als Ergebnis einer Rihsschen Bildgeburt. Rihs sieht sie jedoch weniger als Metapher denn als Wortspiel: als ein technisches Produkt, das eigentlich F higkeiten des Fisches aufnimmt, sich in einem Medium zu bewegen, was nicht unseres ist . Das Medium war der Dom zu Erfurt. Den sensiblen und sichtbaren Punkt des bergangs zwischen Sp tromanik und Gotik , schreibt Anne Maier, hat Christoph Rihs als Ankerplatz f r sein Luftschiff auserkoren. Der Chorhals mit zwei Nebengelassen stammt vom sp tromanischen Bau und ist vermittelndes Glied zwischen dem lteren Querhaus und dem sp tgotischen, stark berh hten Chor. Durch diesen k nstlerischen Eingriff wird die Bedeutung des Bindegliedes zwischen altem und neuem Bau, alter und neuer Kirche hervorgehoben. [...] Doch Christoph Rihs [...] will mehr als nur die Illusion des Fliegens erzeugen. Er greift mit seinem schwebenden Schiff in den Proze der Entk rperlichung und Vergeistigung des gotischen Kirchenbaus ein. Sein Skelett aus Edelstahl, verst rkt mit Spanten aus Aluminium, das von Bug und Heck ausgehend von einem kreisf rmig laufenden drei Millimeter dicken Stahlseil umspannt wird, erscheint als objekthafter Kommentar einer Harmonie des G ttlichen. Bernard de Clairvaux entwickelte die geistigen Grundfesten zu der Lehre des gotischen Kathedralenbaus. So stellt sich der Chorhals als der bergang vom sogenannten ungeistigen , pr chtigen und selbstbewu ten romanischen Stil hin zum durchgeistigten, wider jede Vorstellung von Schwerkraft l ckende Gotik dar. Rihs befa t sich seit l ngerer Zeit in seiner Arbeit mit der berlegung, wie ein Sich-in-Gedanken-von-der-Erde-Wegbewegen visuell umgesetzt werden k nnte. 26Im Gegensatz zur Evokation seiner Weltbilder gehe es ihm hierbei jedoch nicht um den K nstler und dessen Modell oder gar den Traum vom Fliegen. Es gehe um die Erkenntnis, also zun chst um das Erkennen. ICHTHYS ist das griechische Wort f r Fisch. Es diente den ersten Christen als Codewort des gegenseitigen Erkennens. Denn aus diesem Begriff ergibt sich eine Formel: Jesus Christus, Sohn Gottes, Retter . Daraus ergibt sich eine Reflexion, ber die man zu unterschiedlichen Urteilen kommen kann. Bei Anne Maier ist die Definition so angelegt: Fisch oder Schiff Christoph Rihs l t eine pr zise Zuordnung offen, schafft Raum f r die Phantasie der Kunst und den Reichtum der religi sen Gedanken. Er best tigt Martin Bubers religi se Erfahrung, als die einer Anderheit, die in den Zusammenhang des Lebens nicht eingebunden werden konnte. Das Religi se hob einen heraus. Dr ben war nun die gewohnte Existenz mit ihren Gesch ften, hier aber waltete Entr ckung, Erleuchtung, Verz ckung, zeitlos, folgelos. Das eigene Dasein umschlo also ein Dies- und ein Jenseits, und es gab kein Band au er jeweils dem tats chlichen Augenblick des bergangs. [...] Wenn das Religion ist, so ist sie einfach alles, das schlichte gelebte Alles in seiner M glichkeit der Zwiesprache. 27 Kann sich im Vergleich von Kunst und Religion resp. Kirche aufgrund von Parallelen in der Orientierung eine Zusammenarbeit ergeben? fragt Christoph Rihs. Die Werte in der Kunst (zur Zeit!) werden von den K nstlern (und im Gefolge deren Interpreten) immer aufs neue gepr gt, wogegen die Religion ihre in der Schrift (Veda, Pali, Bibel, Tanach, Koran, etc.) niedergelegten Werte als Orientierung anbietet. Glauben vs. Erkenntnis? Das eine reflektiert eine (moderne) Welt, in der jeder seine Werte selbst zusammenstellen kann, dies aber auch selbst tun mu das andere spiegelt die (Tradition der) Menschengeschichte wieder: Die Herrschaft manchmal aus derselben Hand wie die Hilfestellung. Hier liegt meines Erachtens eine hohe Mauer, die in Anbetracht der Arbeitsweise heutiger K nstler ein Arm in Arm zu gehen ausschlie t. 28 Hier war der bespielte Raum eben eine Kirche, ein Dom zudem, der weit hinaufgreift in ein Universum, das an diesem Ort jenem Herrn zugeordnet wird, dem eine Religion gewidmet wurde. Anne Maier irrt also keineswegs. Lediglich ihre Perspektive in die Endlosigkeit ist eine andere.In das andere Endlose greift Rihs gerne. Allerdings eher weniger auf der Suche nach ihm . Rihs gr t mit Hello Halley Maik fer flieg! schon eher ironisch den hellsten unter den Kometen, der uns 1986 das letzte Mal erhellt und Zeitungen und Fernsehen und damit uns alle gewaltig erleuchtet hat. Und so, wie bei Rihs Hello Halley an eine Bastelwerkstatt erinnert, assoziert die l dierte Giotto, die Raumsonde, die eigens f r die Beobachtung von (Hello) Halley ins All geschossen wurde. Novalis erkl rt diesen Denkvorgang so: Wenn der Denker [...] mit Recht als K nstler den th tigen Weg betritt, und durch eine geschickte Anwendung seiner geistigen Bewegungen das Weltall auf eine einfache, r thselhaft scheinende Figur zu reduciren sucht ... 29Der Erden BallChristoph Rihs ist multiplex aufgewachsen. Sein osservatorio romano (1985) w rde er wieder schmunzelnd Wortspiel nennen. Der Osservatore Romano des Heiligen Stuhls ist der journalistische geistliche Beobachter einer weltlichen Welt. Der osservatorio romano ist die astronomische Beobachtungsstation des poetisch aufkl renden Christoph Rihs. In einer Parallele Seh-Raum von 1983, der auch Egoversum tituliert wurde kratzt Marie-Luise Syring mit dem Federkiel an der dann fr hlich blutenden Wunde: Ein solcher Kommentar [...] bedeutet mehr als die blo e Umsetzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Sprache der Fiktion. Er bildet sozusagen das Instrumentarium einer Innenschau und wird gleichzeitig zum Sinnbild einer nach innen und au en hin offenen Welt-Anschauung im doppelten Sinn des Wortes. 30So trifft das Rihssche Egoversum auch auf das von Johannes Brahms. Im th ringischen Meiningen, also nicht weit vom Dach, unter dem Goethe und Schiller (Die Wahrheit ist nur mit List zu verbreiten) gemeinsam archiviert sind, durfte Brahms durch die Vermittlung des befreundeten Dirigenten Hans von B low eine enge Beziehung zum dortigen kleinen F rstentum herstellen und dessen Orchester bespielen. Christoph Rihs hat das via Bols (1999) mit Meiningen getan. Auch hier hat Rihs zun chst einmal wieder in die Sterne gegriffen. Modell f r dieses Modell stand der Erdapfel, den der Kosmograph Martin Behaim 1492 fertiggestellt hat, der erste erhaltene Globus. bols sind aufgel ste Darstellungen von Welt, den Blick auf die Natur k figartig fassend. Wenn von einer Globendarstellung nur die Geometrie brigbleibt, stellt dies f r mich die Reduktion des Konzeptes Weltabbild auf den Ursprung und Angelpunkt jedes Denk-Modells dar. 31Die etwas lteren kennen Bols. Bols-Blau, der Aperitif, der ein so seltsames Sirren im Kopf hervorrief. hnlich der Ver-Ball-Hornung von Balls: Balls of Brahms. Der Dadaist Hugo Ball b te sich ebenfalls an, in dessen Vorwort zum Buch Byzantinisches Christentum Waldemar Gurian darauf hinweist, da im modernen Abendlande die symbolische Betrachtung der Geschichte fast ganz vergessen worden ist .32 Eine Ann herung an den Globus legt der franz sische Ball nahe, der Ballon hei t. Womit wir beim schwebenden oder h pfenden Gebilde des Rainer Maria Rilke w ren: Du Runder, der das Warme aus zwei H ndenim Fliegen, oben, fortgibt, sorglos wiesein Eigenes; was in den Gegenst ndennicht bleiben kann, zu unbeschwert f r sie,zu wenig Ding und doch Ding genug,um nicht aus allem drau en Aufgereihtenunsichtbar pl tzlich in uns zu entgleiten:noch unentschlossener: der, wenn er steigt,als h tte er ihn mit aufgehoben,den Wurf entf hrt und freil t , und sich neigtund einh lt und den Spielenden von obenauf einmal eine neue Stelle zeigt,sie ordnend wie zu einer Tanzfigur,um dann, erwartet und erw nscht von allen,rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur,dem Becher hoher H nde zuzufallen. 33Vom fortw hrenden Vergeuden aller wandelbaren Werte 34, erz hlt Rainer Maria Rilke noch: in der endlosen Wi begierigkeit nie aufh ren zu spielen.Es gibt ein schweizerisches Spezifikum, der einen spezifischen schweizerischen Humor hervorgebracht hat. Ersteres ist der unb ndige Ordnungswille. Und in ihm und mit ihm wird gerne kaschiert. Sicher hat Milan Kundera nicht die Schweiz gemeint, aber er hat unumst lich gefolgert: ... da das sthetische Ideal des kategorischen Einverst ndnisses mit dem Sein eine Welt ist, in der die Schei e verneint wird und alle so tun, als existierte sie nicht. Dieses sthetische Ideal hei t Kitsch. 35Die Modernit t, schrieb der Sur-Naturalist36 Charles Baudelaire 1863, ist das Vor bergehende, das Entschwindende, das Zuf llige. Oder: Das Sch ne ist immer bizarr. 37Anmerkungen1 Bazon Brock, in: Interview mit dem Autor zum Thema kologie und sthetik f r den Westdeutschen Rundfunk, K ln 19822 Lucius Grisebach: Der Maler Werner Heldt, in: W. H., hrsg. v. Lucius Grisebach, Kat. Kunsthalle N rnberg (u. a.), N rnberg 1990, S. 663 Bertrand Theubet, in: Schweizer Abgr nde, Dokumentation, arte, 21.08.02, 20.45 h4 Kurt Tucholsky: Es gibt keinen Neuschnee, in: Gesammelte Werke 1925 1926, Rowohlt, Reinbek 1993 (181 Aufl.), Bd. 9, S. 74f.5 Brockhaus PC-Bibliothek 3.0, 20016 Rihs in einem eMail an den Autor am 27.9.20017 Christoph Rihs im Gespr ch mit dem Autor im franz sischen Bourguignon (Bourgogne) am 15. Mai 2001; soweit nicht anders gekennzeichnet, entstammen die Zitate diesem Gespr ch8 Marie-Luise Syring: Eine Anatomie des Sehens, in: Monde, Ausst.-Kat. (deutsch und franz sisch) Faux-Mouvement, La Cour d'Or, Mus es de Metz, 1989, S. 8ff.9 Marit Rullmann und Werner Schlegel: Leib- statt Vernunftphilosophie, Frankfurt am Main 2000, S. 10110 Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist (L' il et l' sprit), Hamburg 1984, S. 1711 ibd.12 Videoband der RWE, 199413 Bazon Brock, ibd.14 Rihs-eMail, 27.9.200115 Andr Lindhorst, in: Kunst und Weltbild, in Ausst.-Kat. (deutsch und englisch) C. R., Galerie am Fischmarkt, Erfurt 1998, S. 2016 Von Greco bis Goya. Vier Jahrhunderte spanische Malerei, Ausst.-Kat. Haus der Kunst M nchen und K nstlerhaus Wien 198217 Detlef Bluemler und Hellmuth Zwecker, in: Deutsche Volkszeitung Nr. 17, 22. April 1982, Kultur, S. 1418 Andr Lindhorst, ibd., S. 2119 Jochen Gerz in einem Gespr ch mit dem Autor am 6. Mai 1988 in D sseldorf20 Jochen H risch, in: Poetisches Neuland. Anmerkungen zu Novalis, in: Novalis, Gedichte. Die Lehrlinge zu Sais, Frankfurt am Main 1987, S. 16421 Novalis: Die Lehrlinge zu Sais, Die Natur, in: Gedichte, ibd., S. 131f.22 Rihs-eMail, 27.9.200123 Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis, M nchen 197924 Christoph Rihs, in: Monde, ibd., S. 2925 Bazon Brock, ibd.26 Anne Maier, in: Klangschatten. Installationen aktueller Kunst in f nf Erfurter Kirchen, Deutsche Ges. f. christliche Kunst, M nchen 2000, S. 4227 ibd.28 Rihs-Email, 27.9.200129 Novalis: Die Lehrlinge zu Sais, Die Natur, ibd., S. 131f.30 Marie-Luise Syring, ibd., S. 1131 Christoph Rihs in einer eMail vom 26. August 2002 an den Autor32 Zitiert nach: Hugo Ball (1886 1986). Leben und Werk, Pirmasens/M nchen/Z rich 1986, S. 20933 Rainer Maria Rilke: Der Ball, aus: Die Gedichte, Der neuen Gedichte anderer Teil (1908), Frankfurt am Main 1993, Seite 585f.34 Rainer Maria Rilke: ber Kunst II, in: Von Kunst-Dingen. Kritische Schriften, Leipzig und Weimar 1981/1990, S. 4535 Milan Kundera: Die unendliche Leichtigkeit des Seins, M nchen 1984, S. 23736 Daraus entstand die Wortsch pfung Apollinaires: Surrealisme; siehe: Henry Schumann im Nachwort zu: Charles Baudelaire, Der K nstler und das Moderne Leben, Leipzig 1990, S. 40737 Charles Baudelaire, Gesammelte Schriften, Werke, Band 4, Leipzig 1981, S. 286Abbildungen:Resonanz, 1999Installation, Aluminium circa 750, H he circa 350 cm circa 370, H he circa 170 cmStaatliche Kunsthalle Karslruhe, Forum Rotundemondo mio, 1984Ver nderter GlobusH he: 25 cmPrivatbesitzSchilf, 2002Stipp(angel)ruten, SchellenH he: 400 600, Breite: 900, L nge: 900 cmSt. Blaise, Neuenburger See/SchweizPhotographie: Sandro Vannini, I-ViterboDeutsche Scholle, 2002SperrholzH he: 80, Breite 470, L nge: 1.100 cmInstallation in der Barf er-Kirche in Erfurt(der Fisch wurde unter der Decke installiert)K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 60. 4. Quartal, Heft 31, M nchen 2002 F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Rihs-Abbildungen: Christoph RihsDer Text ist unter dem Titel La raison po tique auch in franz sischer Sprache erschienen.Siehe auch: Family Portraits in Multiple Layers: The Korea Times La raison po tique Sur Christoph Rihs Est artiste celui qui revendique de rester visible derri re ce qu il exprime. Ce n est pas comme dans le domaine de la science o l anonymat est sens s lever jusqu ce que l nonc , force d anonymat, prenne la forme d une loi comme tomb e droit du ciel. 1 Ce sont les mots de Bazon Brock. Lucius Grisebach est, lui aussi, oppos une consid ration de l art sans nom pourtant, li y met des r serves: il est fr quent que les artistes ne soient pas aim s pour leur art, mais parce que aux yeux du commun des mortels, ils paraissent si bien perdus. 2 Les Suisses selon Bertrand Theubet, survivent plut t qu ils ne vivent 3 Christoph Rihs est suisse. Bien que n Bierut au Liban, il a surv cu Bienne o il a pass son bachot, ce qui implique qu il conna t bien la langue fran aise, et qui se trouve derri re le Foss R sti qui s pare les mentalit s et derri re le (vraiment?) dernier poste de fronti re euro-mondial o commence la langue italienne. L aussi, Christoph Rihs s est senti comme chez lui, autant dans la langue que dans la mentalit . Entre autre, il a v cu Rome de 1983 1984.Pendant des ann es d cisives pour lui, il avait son atelier D sseldorf en Rh nanie o il a poursuivi ses tudes. En Bourgogne l attend une ancienne ferme o on croit chaque instant qu on va entendre: silence, on tourne! et voir arriver les Parisiens en week-end pour une partie de campagne. Mais c est une camionnette qui d barque ... En descendent: un chien fran ais, une m re am ricaine et sa fille m lang e , accompagn es du p re. On a envie de chanter l internationale.La famille Rihs a un appartement ainsi clair au c ur de la ville natale du classique allemand: Weimar. Ce n est pas seulement dans l aura famili re de Goethe que vit cette famille, mais aussi dans la ville initiale de l universit du Bauhaus. Le Bauhaus, l atelier du Moderne o r gnait une raison clair e, canalis e, calcul e au point que le torrent d bordant du Romantisme avait encore un pr o s taler. Le courrant de Libert , galit , Fraternit coulait vers la diversit , la totalit , l unit et revenait aux sources. Beuys est sens avoir dit : Tout le monde est artiste , ce n est pas exactement a; Ce qu il voulait dire, c est que chacun est cr atif. Beuys connaissait bien le Romantisme. Sa notion de l art , si souvent cit e, y trouve sa source autant que dans Novalis. Beuys a peut- tre subi le m me sort que le pauvre Juif de Kurt Tucholsky, qui inventa quelque chose un jour: le calcul diff rentiel. Mais, lorsqu il arriva en ville, il s aper ut que quelqu un d autre l avait trouv avant lui. Rien n est jamais nouveau ou, avec Kurt Tucholsky.4 Il n y a pas de nouvelle neige Christoph Rihs, lui aussi, a souvent cru d couvrir ce qui existait d j . Par exemple, en g om trie, cette partie des math matiques n e de l tude des propri t s et des formes de l espace ainsi que de la r alisation de figures bi- et tridimensionnelles, calculs de longueur, largeur, surface et contenu [...] .5 Il sait ce qui r sulte de la rencontre des connaissances. G om trie? Orientation: cela signifie: s y retrouver, faire le bon choix entre de nombreuses possibilit s et les rassembler pour obtenir le r sultat sur le chemin prometteur de la r ussite. L origine du mot orientation est Orient (ex oriente lux qui vient de l Est, comme la lumi re) et se r f re l id e que toute culture (comme le soleil?) vient de l Est (Ainsi, par exemple, l orientation vers l Est des glises, des ch urs, des autels) .6Les rep res d orientation ont fascin Christoph Rihs d s l enfance. Tr s t t, il a trouv que la lecture d une carte g ographique tait plus passionnante que de regarder la t l vision. Il pr f rait donc tracer mentalement une ligne sur la carte. Ce qui l a conduit la cartographie, la g om trie; celle-ci tant le mod le de r flexion de l homme. Et ce qui est int ressant l -dedans, dit Rihs, c est que l homme ne peut pas vivre sans mod le de r flexion 7 Ainsi, sur les sols et murs, il commen a par tracer des lignes de couleurs et par fabriquer des objets partir de bouts de bois. Dans son installation Rue Dufour (1981), la figure g om trique que l'on reconna t sur le sol de la maison n'a d'existence que parce qu'une personne a inscrit dans l'espace un certain nombre de mouvements. fait remarquer Marie-Luise Syring dans son analyse lucide Les pas ont t fix s et visualis s sur le sol la craie, comme ceux d'un danseur de ballet. Pourtant, cette uvre n'avait rien voir avec les mouvements abstraits et ritualis s d'un danseur; il ne s'agissait pas non plus d' valuer, de franchir ou d'appr hender l'espace. Rien n' tait cependant laiss au hasard. Rihs a plut t observ les effets changeants, le champ r f rentiel de l'influence que peuvent exercer les uns sur les autres l'homme, l'espace et les objets. Il a ainsi esquiss les mouvements qu'une personne avait accomplis dans l'espace d limit par rapport aux objets qui s'y trouvaient. Il n'est plus possible de lire d'apr s les lignes quelle est la signification des mouvements du promeneur effectuant la visite, que celles-ci aient t suscit es par la r pulsion ou par la s duction. Une lecture de nature psychanalitique reste donc exclue. Ce faisant, Christoph Rihs rappelle uns fois de plus la conscience un fait rest inconscient, tout en appartenant au r el et au v cu, savoir l'interaction entre homme et objet. Les choses ont, par le biais de nos sens, essentiellement de l il, un impact sur l'esprit. En d'autres termes, elles influencent fortement la connaissance et l'attitude de l'individu. 8Christoph Rihs voulait souligner le processus m canique du regard cette image que nous portons nous-m mes dans le globe oculaire comme quelque chose de mat riel que l on peut projeter vers l ext rieur, un jet de ligne, tant t fil de laine, tant t lastique, tant t trait la craie sur le sol . L existentialiste et ph nom nologue Maurice Merlot-Ponty d crit ce ph nom ne de mani re percutante dans L il et l'Esprit (1964) et par-l s'est montr tr s critique du concept de la raison pure en montrant comment notre comportement r agit sur les choses. Merleau-Ponty, de concert avec Hedwig Conrad-Martius, Emmanuel L vinas, Paul Ric ur et Edith Stein consid re le corps comme l Etre au monde ou pour citer Merleau-Ponty: la chair du monde . C est le lieu o se trouvent le langage, la perception, l action et l orientation (sic!) 9 Un corps humain est l quand, entre voyant et visible, [...] entre un il et un autre, [...] quand s allume l tincelle du sentant-sensible, quand prend ce feu qui ne cessera pas de br ler [...] 10Christoph Rihs place l observateur, l homme, au centre de son centre, de son globe, de sa vision du monde. Parfois, comme dans la vraie vie, ce monde est tr s petit et bizarre (mondo mio, 1984) et puis il change, et son image avec lui. Il en d coule diff rentes perspectives. Des visions du monde apparaissent (1991) parfois, elles sont enterr es (L'enterrement, 1989) ou elles pr c dent des mod les.Vid o. Je vois. Sur une bande vid o pour un projet de l RWE, des cath drales passent en acc l r : Pyramide, Tadsch Ma Hal, Minaret (ex oriente?), Pise, Tour Eiffel, ch teau d eau, tour de t l vision, r frig rant atmosph rique ... la repr sentation du monde de Christoph Rihs sur le r frig rant atmosph rique tour 1 de la centrale d nergie au gaz de Meppen r gion d Ems a re u l adjudication unanime du jury sous la pr sidence de Ulrich Krempel. Pour Werner Hlubak, membre du comit directeur de direction de l RWE, la fascination op re surtout quand on pense que le monde a besoin de courant, d lectricit . Christoph Rihs sourit en r pondant que [...] Cette image du monde est assez forte pour susciter bien d autres associations 11 Et, par exemple! Il y a un monde entre la repr sentation du monde de Rihs et la peinture minimisante sur la centrale nucl aire de Tricassin sur le Rh ne, dans le Sud de la France. Et pas seulement pour la diff rence entre le gaz et l atome! L un est le produit de l lan cr ateur de l homme, l autre est la cons quence de ce que l on a m -fait. Mon boulot est d examiner en corrigeant. Action r fl chie Utiliser mon raisonnement , constate Bazon Brock, pour clairer des m canismes qui me d passent en pens e et en parole, c est agir en r fl chissant. Et a s est toujours pass comme a dans le domaine de l art; pensez, par exemple, des peintres comme Magritte dont toutes les oeuvres th matiques ne gagnent qu travers l lucidation de ces m canismes de r flexion. [...] Nous pouvons construire des machines, ce qui signifie faire quelque chose, mais nous ne pouvons pas venir bout des cons quences de cette action de la m me fa on que de la construction initiale des machines ou de la production initiale. Ce sont des m canismes que l art interroge explicitement depuis 500 ans. C est pourquoi il existe tout naturellement un rapport troit entre l nonc de probl mes artistiques et esth tiques d une part, et les d bats cologiques d autre part, pour autant qu on puisse prendre ces d bats au s rieux. Christoph Rihs ajoute: Pour chaque travail, tout artiste parcourt nouveau les tapes de recherche d expression de forme et de teneur. 12En parlant du travail de Rihs, Andr Lindhorst crit: Le monde est enti rement contr l , fonctionnalis , d mystifi et d romantis . 13 D romantis ? Il nous en reste une ruine : la molle corce de Pandore. Et nos d sirs papillotent follement en ricanant autour de nous qui ne nous doutons de rien. Cependant, comment un homme moderne qui voudrait qu on l claire pourrait-il savoir, lui qui va voir des expositions d art aussi pour obtenir des informations? Le catalogue sur quatre si cles de peinture espagnole commente une nature morte (Bod gon) comme un cabinet amusant avec toutes sortes de choses manger qui poussent sous le climat espagnol. 14 Que les objets repr sent s sur cette nature morte se r f rent aux gens de fa on symbolique et th ologique, qu ils repr sentent le monde en images ou l ph m re des choses terrestres, n est pas (plus ?) voqu . Ni un des cinq articles du catalogue, ni une seule l gende de tableau ne se r f re la symbolique religieuse, donc politique, comme: la grenade de l unit de l glise qui s ouvre aux croyants ou qui vaut galement comme symbole de la r surrection. Le monde d aujourd hui a fait de la terre l objet de ses projections globales constate Andr Lindhorst et l art de Chistoph Rihs nous en montre le caract re quivoque . 15 Mais cette phrase de Lindhorst suppose chez Rihs quelque chose que Lindhorst avait enterr une sentence plus t t: Le Romantisme. L artiste Jochen Gerz dont on ne peut vraiment pas dire qu il est le pr tre du sentiment d noyaut , affirme: Dans le Romantisme, il y a une panne de la commande, ce qui est en soi un tr s bel instant, incroyablement affin et sans la moindre excuse. Tir de pr cision aussi sur l art [...] l art qui ne dure pas, sans public, sans commanditaire. [...] c est aussi de la politique. Cela correspond une notion presque fran aise de la politisation. [...]. 16Le Romantisme est un mot qui vient du mot roman. Vivre le romantisme signifiait: La vie est un roman. Or, le Romantisme veut dire aussi, en parlant ici de Novalis: Transformer en chaos, d route, anarchie. Ce sont des notions que les romantiques du d but employaient positivement. [...] 17Ainsi on peut lire: L artiste place l action tout en haut de l chelle, car son tre est d action et de r alisation partir de du savoir et de la volont , et son art est d utiliser ses outils toute fin et de repr senter le monde sa fa on. C est pourquoi le principe de son univers est action et son action son art. Ici aussi, la nature devient visible dans une nouvelle splendeur et seul un tourdi rejette avec m pris les mots illisibles et singuli rement confus. 18 Paul Eluard remarquait que le romantique trouvait autant de po sie dans un verre d eau qu au fond de la mer. Un artiste peut tre v nal pense Christoph Rihs et son produit, mat rialisation de sa recherche, peut, bien entendu, tre achet . Mais a ne signifie pas qu on ach te l art. Celui-ci cro t la mani re d un chardon qui tend ses racines sous la terre pour poindre l o on s y attend autant que l o on ne s y attend pas. 19Raison et esth tiqueLa raison n est pas une chose abstraite que l on d tourne comme le voudrait le tant pris principe d utilit . La raison, c est le Si cle des Lumi res, l poque de l esprit clair . C est galement la lumi re du physicien et philosophe Descartes. Mais c est encore plus s rement laisser faire: laisser au chardon le loisir de pousser comme la nature le veut. Chez Douglas Adams, l homme/souris de laboratoire est tenu une longue laisse dans l univers.20Rihs titube en souriant dans l espace, dans son egoversum, un m lange de r alit et de tromperie; voil ma r alit 21 dit-il. Le titre vole, coccinelle! (Maik fer flieg!), emprunt d une chanson pour enfants, de la guerre de trente ans, voque peut- tre ce carnage. Mais il peut tout aussi bien tre une toupie ronflante d enfant, qui d range la flotte de construction des Vogons d Adams qui avaient pour mission de faire sauter la terre. Elle chaloupe dans l espace, d fiant les plans d une voie intergalactique sens unique. Je trouve cette formule bizarre, qu un artiste dise ce qu il recherche. Moi, je ne peux pas. Il y a des choses tr s d finies qui reviennent dans mon travail de fa on r p titive, mais je suis incapable de formuler ce que c est. Il en est de m me pour le choix pr alable des mat riaux pour ce qu il veut faire. Je ne choisis pas un mat riau parce qu il me fait plaisir, je m en sers intuitivement et c est plus tard que je me pose des questions sur la technique. Nous sommes sur la rive du lac suisse de Neuch tel et nous sommes charm s par les roseaux qui apparaissent travers les brumes matinales. De la m me fa on, travers notre savoir, l me des 18 et 19 me si cles s infiltre et nous fait vibrer de ravissement, d absence nous-m mes. Et aujourd hui, justement, l poque techno de, nous r vons de nature, des jours qui nous enl vent la conscience de la d truire. Calme, silence. C est presque aussi beau que si c tait peint par Caspar David Friedrich. Et voil que l embarquement pour Cyth re de 1717, du pr romantique Antoine Watteau nous emporte vers la volupt . Accadie. Le soleil perce le brouillard, le dissipe. Notre t te se lib re du coton qui l obstruait, se d pouille. Des bruits. Une sonnerie : celle de la terrible r alit ? Certes: c tait un mirage. L image du monde que nous voudrions voir redevient rude r alit . Et les roseaux ne sont que des lignes de p cheurs. Il y pend des grelots comme on en entend (aussi) au carnaval allemanique chez les racoleurs de snack-bars de poisson; ce qui montre que nous pendons au crochet.Ils nous tintent aux oreilles, ces rires hom riques retentissants qui n en finissent pas, sortis de l Iliade et de l Odyss e de Christoph Rihs: roseaux (Schilf). Je ne peux pas dire avec pr cision pourquoi je peins. J essaie de r soudre des probl mes. Christoph Rihs r sout notre probl me esth tique. Cependant, l esth tique ne signifie plus la science du beau , la beaut d Apollon, sans profondeur, l id al classique pr n par son d fenseur Johann Joachim Winckelmann. L esth tique signifie, depuis l Aestetica des ann es 1750/1758 de Alexander Gottlieb Baumgarten, expression de diff rentes fa ons de voir. Ce qui veut dire, selon Bazon Brock: Nous n avons plus besoin de r ponse la question, ce qui est int ressant, c est la question en soi, savoir: Comment se fait-il qu il y ait des appr ciations diff rentes face aux m mes objets consid r s et aux capacit s de jugement assez proches de personnes dot es des m mes moyens d appr ciation? Et surtout, que signifient ces appr ciations diff rentes? 22Connaissance et savoirVoil comment un bateau peut devenir poisson puis de nouveau un bateau ou une autre d couverte. (Bateau, 2000). Erfurt, il y avait des uvres repr sentant ces tres hybrides, r sultat d un accouchement d images la Rihs. Celui-ci y voit moins une m taphore qu un jeu de mots (en allemand : Fisch/Schiff), comme un produit technique qui aurait finalement, en qualit de poisson, la facult de se mouvoir dans un m dium qui n est pas le n tre. Le m dium, c tait la cath drale de Erfurt: Point sensible et visible la limite du Roman tardif et du Gothique crit Anne Maier o Christoph Rihs a su ancrer son a ronef. L abside avec ses deux d pendances date du Roman tardif et sert de transition entre la crois e plus ancienne et le ch ur tr s sur lev du gothique avanc . L importance de ce lien entre le b timent ancien et le plus jeune, l glise ancienne et la nouvelle, est soulign e par cette intervention artistique. [...] Ici, Christoph Rihs [...] veut aller plus loin que de provoquer la sensation de voler. Il intervient dans le processus de d sincarnation et de spiritualisation de cette construction gothique hi ratique: son squelette en acier inoxydable renforc de couples en aluminium, entour de part en part, de la proue la poupe, par un c ble en acier de 3 mm de diam tre fait figure de commentaire mat rialis de l harmonie divine. Bernard de Clairvaux a tabli les principes spirituels de la science des cath drales gothiques. Ainsi, le transept est-il d fini comme le lien entre le style Roman dit non-spirituel, magnifique et bien assis, et le gothique p n tr de spiritualit , d fiant toute notion de pesanteur. Rihs se pr occupe depuis longtemps de visualiser par son art l id e de se d tacher de la terre par l esprit. 23 Contrairement l vocation de ses visions du monde, il ne s agit pas ici, pour lui, de l artiste et de sa r alisation, ni m me du r ve de voler. Il s agit de la connaissance, donc d abord de la cognition. Le mot grec pour poisson est ICHTHYS. Il servait de code pour les premiers chr tiens afin de se reconna tre les uns les autres. Or, il d coule une formule de cette notion: J sus Christ, fils de Dieu, Sauveur qui entra ne une r flexion donnant lieu diff rentes interpr tations. Pour Anne Maier, la d finition se pr sente comme telle: Poisson ou bateau, Christoph Rihs ne tranche pas, l un comme l autre l che la bride l imagination artistique et la richesse des pens es religieuses. Il confirme l exp rience religieuse de Martin Buber d un Autre qui ne peut s inscrire dans le contexte de la vie. La religiosit transf re. L , il y avait l existence habituelle avec ses affaires, ici r gnait le ravissement, l illumination, l enchantement, hors du temps, sans suite. L existence en soi englobait l ici-bas et l au-del , et il n y avait d autre lien que chaque moment pr cis du transfert. [...] Si c est a la religion, alors elle est tout, la simple totalit v cue dans sa possibilit de discorde. 24 Est-ce qu une coop ration peut s tablir, par comparaison, entre l art et la religion, voire l Eglise, sur la base d orientations parall les? Se demande Christoph Rihs. Les valeurs de l art sont (actuellement) tablies par les artistes (et, par la suite, leurs interpr tes) et elles se renouvellent tout le temps. Au contraire, les glises proposent leurs orientations par les Ecritures fix es, d terminantes (Veda, Pali, Bible, Tanach, Coran, etc.) La foi pour la connaissance? L un refl te un monde (moderne) o chacun peut et doit trouver lui-m me ses propres valeurs; l autre refl te l Histoire des hommes (et ses traditions), l autorit souveraine tant parfois entre les m mes mains que l aide propos e. Il me semble qu il y a l un mur tr s lev qui emp che un travail d paule paule quand on consid re la fa on de travailler de nos artistes contemporains 25 En l occurrence, nous avions l exemple d une glise, et m me d une cath drale, qui m ne loin dans un univers attribu un seigneur auquel on a consacr toute une religion. Anne Maier ne se trompe donc pas. Seulement, sa projection dans l infini est tout autre. Rihs se saisit volontiers de cet autre infini, mais prend-il les choses au s rieux ? C est plut t avec ironie qu il salue d un Hello Halley la plus claire des com tes qui nous a clair s la derni re fois en 1986 et qui a illumin les journaux et la t l vision et nous par l -m me. Et autant Hello Halley de Rihs nous rappelle un atelier de bricolage, autant vole, coccinelle!, voque Giotto, la sonde spatiale bless e qui fut envoy e dans l espace dans le seul but d observer (Hello) Halley. Novalis explique cette d marche comme suit: Quand le penseur [...] en tant qu artiste s engage, raison, sur le chemin de l action et cherche r duire l espace une simple et myst rieuse figure par une application adroite de son mouvement intellectuel ... 26Le ballon terrestreChristoph Rihs est un produit multiplexe. Ici encore, c est en souriant qu il appellerait son osservatorio romano (1985) un jeu de mot. L osservatorio romano du Saint-Si ge est l observateur journalistique et spirituel du monde temporel. L osservatorio romano est aussi la station d observation spatiale du po te lucidant, Christoph Rihs. tablissant un parall le avec Salle de vision (Seh-Raum) de 1993, galement intitul Egoversum, Marie-Luise Syring gratte de son tuyau de plume la plaie qui se met saigner : Une dissertation de ce type sur le processus le la perception visuelle et des illusions d'optique, ou plut t des lois de l'optique est charg e de plus de signification qu'une simple traduction de la connaissance de la Nature dans un langage de la fiction. Cette uvre, pour ainsi dire, nous donne les instruments de l'introspection tout en devenant le symbole d'une Welt-Anschauung tourn e la fois vers l'int rieur et vers l'ext rieur. Et conservant toute son ambigu t . 27 L egoversum de Rihs retrouve l univers de Johannes Brahms. Meiningen, en Thuringe, donc peu de distance du toit qui abrite les archives de Goethe et de Schiller ensemble (On ne souffre la v rit qu en rusant) il fut donn Brahms, gr ce l intervention de son ami le chef d orchestre Hans von B low, de s introduire dans la petite principaut locale et de jouer dans son orchestre. Christoph Rihs a fait la m me chose Meiningen par le biais de Bols (1999). L aussi, il a vis haut. Le mod le de ce mod le est La pomme terrestre , le premier globe terrestre produit par le cosmographe Martin Behaim en 1492. Bols sont des repr sentations dissolues du monde comprenant un regard sur la nature comme vue d une cage. Si, du globe terrestre, il ne reste que la g om trie, cela repr sente pour moi la r duction du concept de Weltanschauung l origine et au pivot de tout mod le de r flexion. 28Les moins jeunes connaissent Bols . Bols-Bleu , l Ap ritif, qui provoqua un bizarre bourdonnement dans la t te. Un peu comme en estropiant le mot balle : le bal de Brahms. Le dada ste Hugo Ball pourrait aussi se pr ter ce jeu. Dans la pr face au livre de H. Ball la chr tient byzantine Waldemar Gurian s est r f r ce que, dans le monde moderne occidental, la consid ration symbolique de l Histoire est presque enti rement oubli e.29 Un rapprochement symbolique est facile en fran ais entre le globe et le ballon, ce qui nous conduit au po me volant et sautant de Rainer Maria Rilke: Balle ronde qui propages dans ton volla chaleur de deux mains, insouciantecomme tes possessions; ce qui ne peut resterdans les objets, ce qui pour eux est trop l ger,trop peu chose et pourtant assez chosepour ne pas, de tout ce qui dehors s aligne,invisible soudain glisser en nous:cela glisse en toi, entre vol et chute,ind cise encore: qui alors que tu montes,ravis et lib res le jet, comme situ l avais emport , - puis tu t inclineset suspends ta course, et de l -haut soudainmontres aux joueurs un nouveau lieu,comme les ordonnant en figure de dansepour alors, attendue, souhait e de tous,rapide, simple, pure, toute nature,retomber dans la coupe des hautes mains tendues. 30Rainer Maria Rilke parle du continuel gaspillage de toute valeur variable 31 et puis: de ne jamais s arr ter de s battre dans l ternelle curiosit de savoir.S il y a une sp cificit suisse dont d coule un humour sp cifiquement suisse, c est, d abord, le besoin irr pressible d ordre. En cela et avec cela, on aime masquer. Milan Kundera n a certainement pas vis la Suisse mais il a conclu immuablement: que l id al esth tique de la bonne entente cat gorique avec l existence est un monde o la merde est ni e et o tout le monde fait comme si elle n existait pas. Cet id al esth tique s appelle Kitsch. 32 La modernit crivait en 1863, le sur-naturaliste Charles Baudelaire33 est ce qui passe, ce qui dispara t, ce qui est fortuit.34 Ou encore: le beau est toujours bizarre. 35L auteur est co diteur du Encyclop die Critique d'Art Contemporain (Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst). Il est aussi publiciste dans le domaine de l art et de la culture (aica). Il travaille Hambourg et vit Marseille.Notes1 Bazon Brock, dans : Interview avec l auteur au sujet de l cologie et de l esth tique, pour la radio Westdeutscher Rundfunk, Cologne 19822 Lucius Grisebach : Le peintre Werner Heldt : W. H., ed. Lucius Grisebach, cat. Kunsthalle N rnberg , Nuremberg 1990, p. 663 Bertrand Theubet : Ab mes suisses, Documentation, arte, 21.08.02, 20.45 h4 Kurt Tucholsky : Es gibt keinen Neuschnee, Gesammelte Werke 1925 1926, Reinbek 1811993, Bd. 9, p. 74f.5 Brockhaus PC-Bibliotheque 3.0, 20016 Rihs dans un courrier lectronique l auteur, le 27 septembre 20017 Christoph Rihs dans un entretien avec l auteur Bourguignon (Bourgogne) le 15 mai 2001 ; sauf annotation sp cifi e, toutes les citations se rapportent cet entretien8 Marie-Luise Syring : Une anatomie de la perception visuelle, dans : Monde, cat. D exposition. (all. / fr.) Faux-Mouvement, La Cour d'Or, Mus es de Metz, 1989, p. 8ff.9 Marit Rullmann et Werner Schlegel : philosophie du corps plus que de la raison, Frankfort / Main 2000, p. 10110 Maurice Merleau-Ponty: L' il et l'Esprit, Paris 1964, p. 2111 Bande vid o de l RWE, 199412 Rihs, courrier lectronique l auteur, le 27 sept. 200113 Andr Lindhorst, dans: Kunst und Weltbild, in cat. d exposition. (all. /angl.) C. R., Galerie am Fischmarkt, Erfurt 1998, p. 2014 Von Greco bis Goya. Quatre si cles d art espagnol, cat. d exposition. Haus der Kunst M nchen et K nstlerhaus Wien 198215 Andr Lindhorst, ibd., p. 2016 Jochen Gerz dans un entretien avec l auteur le 6 mai 198817 Jochen H risch, dans : Poetisches Neuland. Remarques sur Novalis. Novalis, po mes. Die Lehrlinge zu Sais. Francfort / Main 1987, p. 16418 Novalis: Die Lehrlinge zu Sais, Die Natur. Gedichte, ibd., p. 131f.19 Rihs, courrier lectronique l auteur, 27 septembre 200120 Douglas Adams : En stop dans la Galaxis, Munich 197921 Christoph Rihs : Monde, ibd., p. 2922 Bazon Brock, ibd.23 Anne Maier: Ombres de sons. Installations d art actuel dans cinq glises de Erfurt, Munich 2000, p. 4224 ibd.25 Rihs, courrier lectronique l auteur, le 27 septembre 200126 Novalis: Die Lehrlinge zu Sais. Die Natur, ibd., p. 131f.27 Marie-Luise Syring, ibd., p. 1128 Rihs dans un courrier lectronique l auteur, le 26 ao t 200229 D apr s: Hugo Ball (1886 1986). Vie et uvre, Pirmasens/Munich/Zurich 1986, p. 20930 Rainer Maria Rilke : La balle, tir de: uvres compl tes. Po sie. Nouveaux po mes, deuxi me partie, Paris 1972, p. 29531 Rainer Maria Rilke: ber Kunst II. Von Kunst-Dingen. Kritische Schriften, Leipzig et Weimar 1981/1990, p. 4532 Milan Kundera: L insoutenable l g ret de l tre, en allemand : Munich 1984, p. 23733 D o le n ologisme d Apollinaire: Surr alisme; voir: cit d apr s de Henry Schumann : Charles Baudelaire, Der K nstler und das Moderne Leben (L artiste et la Vie Moderne), Leipzig 1990, p. 40734 Charles Baudelaire, Gesammelte Schriften. Werke ( uvre), Bd 4, en allemand : Leipzig 1981, p. 28635 cit d apr s: Henry Schumann, ibd., p. 408Deutsche Fassung dbm, Kritisches Lexikon der GegenwartskunstVeuillez respecter ce qui suit:Family Portraits in Multiple Layers: The Korea Times ber Johannes MuggenthalerViel fehlte nicht, und der Autor folgender Nach-Denkung fiele wegen seiner Neigung aus dem Fenster zum Weitblick: Hans Blumenbergs poetische Philosophie-Denkzettel von der Verf hrbarkeit des Philosophen zum Cicerone der Muggenthalerschen Kunst-Poesie-Kunst zu erkl ren. Was [...] Meister herausfordert, logische Verborgenheit in optische Pr senz zu steigern. Anders ausgedr ckt: Das f r eine Geschichte Bedeutungslose erh lt die Auszeichnung optischer Bedeutsamkeit. 1 W ren da als Handb cher nicht auch Muggenthalers eigene Schriften, er st rzte den Leser ins Mikrokosmische. Gleichwohl: seit es Computer gibt, wissen wir, wie weit die Welt wird; und die Wissenschaft lehrt uns, da in jedem noch so winzigen Etwas das Unendliche enthalten ist.Zwar liegen da Worte vor, die hermetisch wirken. Doch das Kryptische wirkt bei Muggenthalers Kunst-Poesie zigtausende Hertz-Takte entfernt von der banalen Unverst ndlichkeit neumedialer Nutz-Leid-Faden. Aber fordert er nicht etwa schreibend wie bildend eine R ck-, sozusagen eine Heim -Kehr in eine (Bild-)Sprache ein, die in einem quasi-theologischen2 Ursprung romantisch gegen die Aufkl rung zielt?3 Auch k nnte der Verdacht naheliegen, er ebnete einer fehlgeleiteten Erinnerung einen Pfad nach Arkadien w rde nicht der Blick zwischen die (Bild-)Zeilen auf-klaren, wie abgefeimt diese Anrufung des Paradieses ist. So bildet sich hier schon eher ein Novalis des Auges seine Fluchten von Neuropa nach Eumeswil.4 In kantig aneinander gesetzten Bildern und kraftvoll gefugter Handlung macht Muggenthaler den Reichtum im Widerspiel von Kultur und Natur sichtbar: Schicht um Schicht berlagern sich Macht des Wetters und Sturm des Gef hls, Labyrinth des Waldes und Irrgarten der Stadt, Tempel und Kerker, Paradies und Welt, Kunst des Erz hlens und bl tenreiches Wachstum der Fantasie [...] eine doppelb dige Magie, in deren Bann der Leser selbst sich in der schimmernden Bedeutungsvielfalt der Texte gl cklich verirrt. 5Wie man sich gl cklich verirrt, lautet der Titel dieser gebundenen Poesie; Normal und sterblich, Liebe und Schulden hie en ihre Vorg ngerinnen. Der Liebe Pilgerfahrt ward Muggenthalers Ausstellung 1992 im M nchner Stadtmuseum von ihm gehei en. Doch w re die Liebe und deren Pilgerfahrt allein nicht schon genug, der Oberammergauer (* 1955) mit der Physiognomie eines toskanischen Landmannes und der Aussprache des Wurzellosen setzt noch einen drunter: Photographische Schautafeln zur Seelenforschung.Wie's da drinnen aussieht in der psychischen (physischen?) Beschaffenheit des Trinkenden Kosmonauten (1992) mag vordergr ndig die Wodka-Flasche mit dem ihr beigestellten Glas belegen, und auch die ger teten Augen k nnten Zeugnis andeuten, Tr nen der Trauer geflossen sein, Psyche ihn gemartert haben. Oder aber doch eher der Muggenthalersche Blick auf die Konstante des Ereignislosen: M chtig steht die Frage auf, wie dem Tag in die Knie zu verhelfen ist. Fr her war das anders, da waren die Tage nicht so lang. Ungefragt vergingen sie wieder. Was bietet das Leben an Spannung, nicht viel. Die Dramaturgie ist schlecht, und wo man hinsieht L ngen, f rchterliche L ngen! 6 Frage? Antwort? Ach Einstein. Nehmen wir doch einfach dein E=mc2 in den schlichten (Volks-)Mund alles ist relativ. Wo die einen den (runden) Kopf benutzen, um Gedanken ohne jede Pause klingelnd und klimpernd die Richtung ndern zu lassen, flaniert7 Muggenthaler kreisend in ihm und l ckt wider den Stachel8 von Ariadnes Flucht-Trag die. So best tigt der K nstler (Muggenthaler) sich und den Philosophen (Blumenberg), der meint, Leitf den, deren Enden niemand gesichert hat, haben etwas Artistisches . Aber Muggenthaler bedeutet seinen G ngern im Ungewissen 9, da sie nicht f rchten m ssen, sich zu verlieren, denn schlie lich wisse er, der K nstler, doch, in wessen H nden Ariadnes Blaues Band liege. Verwirrend sicher also legt Muggenthaler die Anf nge seiner F den ( berall hin), und in verbl ffender Logik schweben die Enden immer zu ihren vagen Auflegepunkten (und des Philosophen Mahnung) zur ck. Ob es mit dem Wort beginnt und mit dem Bild endet und umgekehrt bzw. beide ein voneinander unabh ngiges Da-Sein f hren, immer entsteht ein Bild aus W rtern, f gen sich W rter zu Worten zu einem Bild zusammen und geraten so zu jener Consomm e, in der reine Vielfalt k chelt. Der neumediale Fast-food-Koch nennt diese Kunst-Ur-Suppe Crossover .Der Poesie ob der sprachlichen oder bildnerischen inne wohnt die Sehnsucht: nach einer Abkehr vom schieren Verstand. Doch wider den falsch verstandenen Part, den die Romantik im Streben des jeansuniformierten Individuums nach nostalgischer Absonderung verordnet bekam, l t die Bild-Sprache Muggenthalers im Gefolge von Jean Paul oder E. T. A. Hoffmann oder, wenn auch weniger schmerzhaft, Jochen Gerz in sich sezierend die Saiten schwingen: Das Sehnen nach diesem anderen Zustand wird berdehnt bis zum fr hlich-befreienden Bersten. Denn nicht dorthin, wo die Esoterik als das Wissen Eingeweihter um die Geheimnisse entkernt und mit verquaster T melei, der Billigdroge Sinnentleertheit aufgef llt wurde, will der Stein. Der will zur ck zur Schleuder.10Nach Kythera in AdriapolisIch f hre gern in ein Land, wo es mich noch nicht gibt. Des sehr fr hen Romantikers11 Antoine Watteau Einschiffung nach Kythera von 1717 macht die Landschaft weit, und dessen Nachfahrer Muggenthaler setzt sein Schiff dazu als Wehmut-Spritzer auf die Breitwand der Sehnsuchtsindustrie. In vertrackter grammatikalischer Korrektheit assoziiert er es mit einem quasi-poetischen Hymnus an die Ferne. Beide sind bekannte Bilder. Beide haben sie ihre ureigene G ltigkeit, sowohl in ihren origin ren Bedeutungen als auch in der jeweiligen Okkupation durch die Fremdenverkehrswirtschaft. Das an maritimem Gestade gemach aufs Wasser wartende Schiff, das von der See hinausgef hrt werden will ins Endlose. Das unter s dlicher Sonne geduldig seines Passagiers harrende Schiff, das ihn hinausf hren soll aus seiner ballermannischen oder seiner hochkultur berheizten Tristesse hinaus in die klimafreie Zone. Gelagert ist dieses Denk-Mal auf dem Sand einer Fernsucht, in den Myriaden von Tr umereien Eier legen; wie weit solche Gedanken fliegen und wie wahr sie in der Wirklichkeit dieses Begehrens sind, wei man aus der Zeit, als man solches noch gelesen oder davon geh rt hatte. Fixiert ist das scheinbar seefahrtsbereite R ckbesinnungs-Teil also auf einem Glauben, der von der Aphorismus-Vermarktung in den Rudiment r-Ganglien verankert worden ist. Lediglich das Schemenhafte dieses ungewohnt korrekten Konjunktivs mit ihm ger t die Sicherheit dann doch ein wenig aus dem Lot der ansonsten wohl berechtigten Vermutung, es k nnte sich dabei um Sprache handeln. Beide, Bild und Wort, fahren also (gemeinsam) los, wenn sie denn losfahren. Am Ziel, endlich: der Rezipient. Als Hase.Denn dort steht bereits Johannes Muggenthaler, das von Freundin Ariadne geborgte und flatternd fliehende Zielband in der Hand. Beschriftet hat er es einmal mehr in seiner eigen-artigen Dicht(er)-Sprache: Du gr t jeden, aber du kennst keinen , veredelt noch im Titel Sich suchen, nichts finden ... (2000; oben). Er zeigt die Hoffnung im berreifen neunten Monat einer Scheinschwangerschaft: Du wirst immer mehr ... (1984). Als b te Der Austausch von Geschenken zwischen Mensch und Tier (1989) ein Loch, in der die brennende Sehnsucht K hlung f nde. Auch eine Taube ist ja nur ein Mensch. Auch sie will anders(wo) sein. Aber ach: Selbst der Um-Weg als Ziel bietet keine Heimstatt des Seins.Muggenthaler ist ein zauberhafter L gner, der sich Wahrheiten aus dem Mythenfundus der Antike geborgt und zu seinen verwandelt hat. Von solcher Bande lernt man Wunder. Theseus lieh ihm das Garnkn uel, gleichwohl Ariadne einen anderen (immerhin Dionysos) nahm; doch wie sehr er, der K nstler, sie nach wie vor lieben mu , belegen zahlreiche photographische Portraits von eindringlicher Anmut (die ja bekanntlich au en als Sch nheit aufbl ht). Die T ne in die Lage der K nigin der Nacht zu ziehen, das haben ihm Odysseus' Lock-V gel beigebracht. Aus diesem Akt hat der Dramatiker auch gelernt, die Sinnesorgane so zu wachsen, da sogar Alarmanlagen keine T ne mehr haben. Ihm selbst kann nichts geschehen, hat er sich doch am Mast der Kunst selbst fest verzurrt. Und die Mimikry, die hat er von denen, die uns die lingua franca (auch die des feinziselierten Humors) gespendet haben. Wie diese Orchidee, die als Wespe die Wespe bet rt, bedient er sich der Lust als sinnvoller T uschung. Und die dient schlie lich (auch) der Vermehrung seiner Zwitterwesen, die selbst nie die Erkenntnis preisg ben, sie geh rten einer Gattung an: Bild oder Wort. Jeweils ein Eigenleben f hren sie, wie das Weibliche beziehungsweise M nnliche im jeweiligen Geschlecht, das bereits in sich selbst sich verirrt. So sind sie immer jene (nicht-moderne) Poesie, wie sie nur der Romantiker hervorbringt, der nach ihr nicht fragt, dessen Hoffnung(slosigkeit) sich tr gt in seinem Wehmutslied durchs optisch heruntergekommene Adriapolis (Serie, 1998), das auch Jesolo oder Rimini hei t und in dem es dem Tenor der Sch nheit die Sinne umschl gt: Weil man sich de geworden ist am alten Ort, weil man das Bekannte kennt bis zur Unkenntlichkeit, bis zur Gewohnheit. Hier aber, alarmiert von den Gefahren und Lockungen der Fremde, erwacht das Selbst und f hlt sich besonders. 12 Und so singt der K nstler dann die Mimikry des eig'nen Sinns.In einer seiner beiden komischen Trag dien Normal und sterblich ist es vermutlich Muggenthaler, der sich Nietsche hei t. Diesen seinen Genius l t er flehen, es m sse doch eine Grenze sein zwischen Sein und Nichtsein . Doch da das Sein am Firmament den Kopf sich st t, l t der romantische Poet die Suche sein.Anmerkungen1 Blumenberg, Hans: Ein MacGuffin, in: Die Verf hrbarkeit des Philosophen, Frankfurt am Main 2000, S. 962 Dazu Blumenberg: Der gro e Theologe zeichnet sich aus nicht durch die Fragen, die er stellt, vielmehr durch die, die er verhindert. [...] Beantwortung und Verhinderung der Frage m ssen ineins gehen, verwechselbar werden. In: Vorsicht im Umgang mit Engeln, a. a. O., S. 1153 Romantik: 1694 erstmals in Frankreich, 1698 erstmals in Dtl. belegt, bezeichnete [zun chst] die Pathoswirkungen einer wilden Landschaft, bis [sie] schliesslich Jean-Jacques Rousseau zum Ausdruck der Einheit von landschaftl. und seel. Qualit ten diente und die Begr nder der romant. Bewegung es zur Bez. des h chsten Kunstprinzips erkl rten [...]. (Brockhaus-PC-Bibliothek); weltanschauliche Bewegung gegen den Rationalismus4 Roman von Ernst J nger, in dem sich der Anarch aus der ungeliebten Gesellschaft gr bt; Stuttgart 19805 Landfester, Ulrike: J. M., Wie man sich gl cklich verirrt. Waldgeschichten, Laubacher Feuilleton Nr. 15, M nchen 1995, S. 126 Muggenthaler, Johannes, Normal und sterblich. Zwei komische Trag dien, Hamburg 1984, S. 197 Flanieren ist [eben] keine Besch ftigung f r Freizeit-Konsumenten , meint Claus Koch; S ddeutsche Zeitung v. 2. M rz 2001, S. 168 Wider den Stachel l cken: eine Sache be-, antreiben (fr her: den Ochsen); Kluge, Etymologisches W rterbuch, Berlin/New York 1999 (23. Aufl.), S. 5099 Blumenberg, Hans: Der Holzweg zu den Quellen, a. a. O., S. 8610 Der Stein will zur ck zur Schleuder: Titel einer Arbeit von Jochen Gerz, von dem auch die u erung stammt: In der Natur sehne ich mich nicht nach der Natur. 11 Wobei hier nicht die historische Epoche (s. Anm. 3) gemeint ist, die den Menschen nicht erh ht, sondern in der Natur verkleinert; wie das in vielen Gem lden von Caspar David Friedrich deutlich wird. Hier zielt es auf denjenigen ab, der meint, die Natur k me seinen Sehns chten entgegen, habe ihr entgegenzukommen, ggf. im franz sischen Sinn von Civilisation, der im Deutschen Kultur genannt wird; der Begriff Romantik wird heute auch weitgehend (wieder?) so gewertet, zumindest umgangssprachlich bzw. in breiteren Bev lkerungsschichten. Siehe auch Anm. 10.12 Muggenthaler, Johannes, in: Informationsblatt zur Ausstellung in der Galerie Mosel Tschechow, M nchen, Dezember 2000 Januar 2001Der Autor ist Gr ndungsherausgeber von K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst (seit 1988), betreute bis 2006 verantwortlich dessen Redaktion und ist nun als Kunst- sowie Kulturpublizist t tig (Mitglied von aica, Internationaler Kunstkritikerverband). Er lebt in Hamburg und im s dfranz sischen l'Estaque.K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 54, M nchen 2001 F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Muggenthaler-Abbildungen: Johannes MuggenthalerDer Text ist unter dem Titel La po sie aime le mim tisme Les fleurs du Beau auch in franz sischer Sprache erschienen.Siehe auch:Mosel und TschechowMagie oder MaggiNormal und sterblichLiebe und SchuldenWie man sich gl cklich verirrtRegen und andere Niederschl geDer Idiotenh gelsur Johannes Muggenthaler Deutscher TextPeu s'en fallait, et l'auteur de la r -flexion suivante tombait par la fen tre de son inclination sur une vaste perspective : d clarer cic rone de l'art-po sie-art de Muggenthaler les rappels philosophiques et po tiques de Hans Blumenberg de la s ductibilit du philosophe. Ce qui [...] somme les ma tres d' lever le rec l logique en pr sence optique. En d'autres termes : ce qui n'a pas de signification pour une histoire re oit la distinction de signifiance optique . S'il n'y avait pas aussi les propres Ecrits de Muggenthaler pour servir de manuels, il pr cipiterait le lecteur dans le microcosmique. Quoi qu'il en soit : depuis que l'ordinateur existe, nous savons combien le monde est devenu vaste ; et la science nous enseigne que dans le plus minuscule quelque chose l'infini est contenu.Bien s r Il est l de ces mots qui ont un effet herm tique. Mais dans la po sie-art de Muggenthaler le cryptique est des milliers de pulsations de la banale incompr hension du fil d'usage et douleur des nouveaux m dias. En crivant comme en cr ant des images, n'exige-t-il pas le re-tour, et pour ainsi dire un re-tour aux sources une langue (d'images), dirig e la mani re romantique contre les Lumi res, selon une origine quasi-th ologique ? Le soup on pourrait sans peine se faire jour qu'il viserait ouvrir le chemin de l'Arcadie un souvenir d -voy , si le regard jet entre les lignes (et celles des images) n' claircissait pas combien est retors cet appel au paradis. On y voit plut t un Novalis de l' il construire ses fuites de Neurope Eumeswil.Par des tableaux ajust s bord bord et une action vigoureusement men e, Muggenthaler rend visible la richesse dans l'opposition de la culture et de la nature. Couche apr s couche, le pouvoir du temps qu'il fait et la temp te des sentiments se recouvrent, on a le labyrinthe de la for t et le jardin-labyrinthe de la ville, le temple et le cachot, le paradis et le monde, l'art du r cit et les riches efflorescences de l'imagination [...] magie deux corps, sous l'envo tement de laquelle le lecteur lui-m me se perd avec bonheur dans le miroitement des significations multiples des textes. Comme l'on s' gare avec bonheur, ainsi s'intitule cette po sie qui lie et contraint (gebundene). Celles qui l'ont pr c d e s'appellaient normales et mortelles, amour et dettes. Muggenthaler avait intitul P lerinage de l'amour son exposition de 1992 au Stadtmuseum de Munich. Mais l'amour et son p lerinage n' taient pas eux seuls suffisants, l'homme de l'Oberammergau (* 1955), la physionomie d'un paysan toscan et l'accent du d racin en pose encore un au-dessous : planches photographiques pour l' tude de la psych (Photographische Schautafeln zur Seelenforschung).Quelle allure a prend dans la constitution psychique (physique) du Cosmonaute Buvant (Trinkender Kosmonaut), on peut en voir le constat en premier plan avec la bouteille de vodka et le verre qui l'accompagne, comme les yeux rougis pourraient indiquer que des larmes de tristesse ont coul , ont tourment sa psych . Mais peut- tre bien plut t le regard que porte Muggenthaler sur la constante d'absence d' v nement. La question se pose, imp rieuse : comment faire ployer le genou au jour ? Autrefois cela se passait autrement, les jours n' taient pas si longs. Ils passaient sans qu'on s'interroge. Quelle tension offre donc la vie, pas beaucoup. La dramaturgie est mauvaise et o que l'on regarde il y a des longueurs, de terribles longueurs. Question ? r ponse ? Ah oui Einstein. Si nous prenons simplement ton E = mc2 au sens direct o l'entend le bon peuple, tout est relatif.L o les uns utilisent la t te (ronde) pour sans la moindre pause sonnant et cliquetant faire changer de direction aux id es, Muggenthaler y fait des tours en fl nant et ren cle la trag die de la fuite d'Ariane. Ainsi l'artiste (Muggenthaler) se confirme-t-il et confirme le philosophe (Blumenberg), lequel est d'avis que des fils conducteurs dont personne n'a assur l'extr mit ont quelque chose d'artistique . Mais Muggenthaler signifie ceux qui le suivent dans l'incertain , qu'ils ne doivent pas craindre de se perdre car en fin de compte, lui, l'artiste, sait bien aux mains de qui repose le fil bleu d'Ariane. Muggenthaler pose donc, de mani re certes jeter la confusion, les commencements de ses fils (partout), et selon une logique d concertante leurs extr mit s reviennent toujours flotter aux points vagues de leur ancrage (et ceux de la mise en garde du philosophe). Que cela commence avec le mot et se termine avec l'image et inversement ou que les deux m nent l une existence ind pendante l'un de l'autre, il y a toujours une image qui sort des mots, les mots se joignent aux paroles pour former une image et aboutissent ce consomm o cuit la pure multiplicit . Le cuisinier fast-food des nouveaux m dias appelle crossover cette soupe-primitive-de-l'art.La nostalgie habite la po sie, qu'elle soit verbale ou plastique : apr s s' tre d tourn e du pur entendement. Mais l'encontre de la part mal comprise qui fut assign e au romantisme dans l'effort de l'individu uniformis par le jean de se distinguer d'une mani re nostalgique, la langue-image de Muggenthaler laisse vibrer ses cordes pour la diss quer, la suite de Jean-Paul, ou d'E.T.A Hoffmann ou encore la mani re, il est vrai moins douloureuse, de Jochen Gerz. L'aspiration cet autre tat prend de l'ampleur jusqu' l'explosion, lib ratrice et joyeuse. Car la pierre ne veut pas aller o l' sot risme en tant que savoir d'initi s a t d noyaut de ses secrets, accumul dans la confusion et combl par la drogue bon march du vide de sens. La pierre veut retourner la fronde.De Cyth re AdriapolisJe m ne volontiers dans un pays o il n'y pas encore moi (Ich f hre gern in ein Land, wo es mich noch nicht gibt). L'Embarquement pour Cyth re du tr s pr -romantique Antoine Watteau, de 1717, ouvre l'espace au paysage, et son compagnon ult rieur Muggenthaler y ajoute son navire titre d' claboussure m lancolique sur le grand cran de l'industrie de la nostalgie. Selon une correction grammaticale qui laisse d sirer il l'associe un hymne quasi-po tique au lointain. Il s'agit dans les deux cas de tableaux connus. Tous deux ont leur validit ancienne et sp cifique, aussi bien dans leurs significations originaires que dans la mani re dont elle est occup e aujourd'hui par l'industrie des voyagistes. Le navire attend mollement sur l'eau d'un bord de mer et veut que la mer l'emm ne vers l'infini. Le navire qui attend son passager sous le soleil du midi et qui doit le mener dans la zone qui chappe aux climats, le tirer de sa tristesse d'avoir t projet l , ou de sa tristesse chauff e par trop de culture Ce monument repose sur le sable d'une b ance des lointains o vont pondre des myriades de r veries. A quel point de telles pens es volent loin et comme elles sont vraies dans la r alit de ce d sir, on le sait du temps o on lisait de telles choses ou qu'on en entendait parler. La partie r flexion en arri re apparemment pr te au voyage en mer est donc fix e une croyance qui a t ancr e par la mise en vente-aphorisme dans les ganglions du rudiment Seulement ce qu'il y a de fantomatique ce subjonctif inhabituellement correct, et qui fait sortir un peu la certitude du lot d'une supputation par ailleurs bien justifi e qu'il pourrait ici s'agir de langage. L'image et le mot appareillent donc (de conserve), si toutefois ils appareillent. Au but enfin , le r cipiendaire. Comme lapin.Car Johannes Muggenthaler est d j l -bas, tenant en main le fil du but, qui flotte et fuit, emprunt son amie Ariane. Dans la langue de po te qui lui est propre : Tu salues chacun mais tu ne connais personne , il l'a une fois ennobli davantage dans le titre Se chercher ne rien trouver... (Sich suchen, nichts finden). Il montre l'esp rance au neuvi me mois d pass d'une grossesse simul e. Tu deviens toujours plus. Comme si l' change de cadeaux entre l'homme et l'animal (Der Austausch von Geschenken zwischen Mensch und Tier) offrait un trou o la nostalgie br lante trouvait se rafra chir. Un pigeon aussi n'est apr s tout qu'un tre humain. Lui aussi veut tre autre (ailleurs). Mais h las : m me le d -tour comme but n'est pas un site de l' tre.Muggenthaler est un merveilleux menteur qui a puis pour les faire siennes des v rit s dans le fonds mythique de l'Antiquit . Avec une bande pareille on fait merveille. Th s e lui a pr t la pelote de fil, m me si Ariane en a pris un autre (ni plus ni moins que Dionysos) Mais combien il doit l'aimer, lui l'artiste, apr s comme avant, c'est ce dont t moignent de nombreux portraits photographiques d'une gr ce p n trante (on sait qu'elle s' panouit l'ext rieur sous forme de beaut ). Mettre les sons dans la situation de la Reine de la Nuit, il l'a appris des oiseaux-leurres d'Ulysse. De cet acte le dramaturge a aussi appris d velopper les organes des sens au point que m me les dispositifs d'alarme ne disposent plus de sons. A lui-m me il ne peut plus rien arriver, puisqu'il s'est ficel au m t de l'art. Et la mimesis , il la tient de ceux qui nous ont d livr la lingua franca (celle aussi de l'humour finement cisel ). Comme cette orchid e qui faisant la gu pe gare la gu pe, il se sert du plaisir comme illusion pleine de sens. Et qui sert (aussi) finalement l'accroissement de ses essences divis es, qui d'elles-m mes n'iraient jamais reconna tre qu'elles appartenaient un genre : image ou parole. A chaque fois elles ont leur vie propre, tout comme le f minin ou le masculin dans chacun des sexes qui s' gare d j en lui-m me. Ainsi sont-elles toujours cette po sie (non-moderne) comme seul en fait le romantique, qui ne demande pas apr s elle et dont l'espoir (ou son absence) se porte dans son chant de m lancolie au travers de l'Adriapolis (Adriapolis) qui a optiquement sombr , qui s'appelle aussi bien Iesolo ou Rimini et dans lequel chant le t nor de la beaut sent ses sens chavirer. Parce que sur le vieux site on a fini par sombrer dans l'ennui, parce qu'on conna t le connu jusqu' son alt ration m me, jusqu' l'habitude. Mais ici, alarm par les dangers et les s ductions de l' tranger, c'est le moi lui-m me qui s' veille et se sent tout particuli rement. Et ainsi l'artiste chante-t-il la mim sis de son propre sens.Dans l'une de ses deux trag dies comiques Normal et mortel c'est vraisemblablement Muggenthaler qui s'appelle Nietzsche. Il implore ce g nie-l en lui, car il doit bien exister une imite entre l' tre et le non- tre . Mais comme l' tre se cogne la t te au firmament, le po te romantique laisse l la qu te. L'auteur et Johannes Muggenthaler (image) Im Niemandsland zwischen Gelb und Wei ber Kazuo Katase*(dort, auf dessen Seite, auch Abbildungen) Ich gehe ber eine Br cke und bin gelb geschminkt. Es ist der Weg von Asien nach Europa. Dann habe ich mich wieder wei geschminkt. Gelb-Wei , das war die Auseinandersetzung: Wer bin ich? In Japan hie es immer, du bist so europ isch, hier hei t es: Du bist so japanisch. Ich bin gelb. Ich bin wei . 1 Diese u erung des 1947 im japanischen Shizuoka geborenen Kazuo Katase bezieht sich auf eine Aktion aus dem Jahr 1978, als er bereits drei Jahre in der Bundesrepublik Deutschland lebte. Zu dieser Zeit hatte er sich der konzeptionellen Kunst verschrieben, die ihm Zubringer war zur Kunst als gesellschaftlicher Eingriff . So machte er Ende der siebziger Jahre vor allem mit seinen Computerstreifen auf sich aufmerksam, k nstlerische Variationen der EAN (Europ ische Artikel Numerierung), die heute als Bestandteil der Alltagswelt kaum mehr Beachtung findet. Katases Identit tssuche zwischen Ost und West, genauer zwischen Asien und Europa, kulminierte in einer Art technischem Selbstbildnis , indem er die Buchstaben-Zahlen-Kombination seines japanischen Reisepasses codierte. Doch im Gegensatz zu den elektronisch lesbaren Computer-Zeichen, die, um entschl sselt werden zu k nnen, immer identisch und damit technisch perfekt angefertigt sein m ssen, malte Katase sie auf Stoff auf, und so waren sie damit nicht nur Tr ger einer verschl sselten, codierten Information, sondern zugleich auch eigenst ndiges Medium, das nie als eindeutig definierter Kunst-Gegenstand verstanden werden wollte.2Es war die Zeit, in der George Orwells 1984 bedrohlich n her r ckte und unter sensibleren Naturen f r (wieder aufbereitete) Konfusionen sorgte. Ein weiteres Beispiel daf r mag Katases Arbeit Der fotografische Augen-Eingriff aus dem Jahr 1978 sein. Darin verweist er mit den Mitteln der Technik auf die Gefahren einer technoid ausufernden Gesellschaft: Sowohl die Angst vor psychischen Okkupation ist darin enthalten als auch die Warnung einer digitalisierten Bildwelt, die Informationen verf lscht (was heute allt glich ist) und Wirklichkeit wie Wahrheit zuwider l uft.Doch der Euroasier im Geiste Katase entgegnete diesen Konfusionen berwiegend mit Hilfe der Konkreten Poesie ber ein zun chst [...] unverbindliches Jonglieren mit reizvollen formalen M glichkeiten. Immer aber ergeben sich zugleich neue, unerwartete inhaltliche Dimensionen etwa, wenn Katase den EAN-Code mit den E st bchen seiner Heimat in Verbindung bringt und das noch ungeteilte St bchen als Urcode zum fiktiven Ausgangspunkt dieser Schrift erkl rt, wohl wissend, da Schrift tats chlich aus solchen Buch-Staben entstanden ist. 3 1983 verwies Hans Gehrcke darauf, da Katase an vielen Stellen seines Werkes ausdr cklich auf seine japanische Herkunft anspiele, da sie entscheidender Teil seiner Identit t und damit auch Thema der k nstlerischen Auseinandersetzung sei. Daran hat sich bis heute, wenn auch in wesentlich ver ndertem formalem Bild- und Raumtypus, nichts ge ndert.Er, der sich als Sp tentwickler bezeichnet, kam mit seiner pers nlichen k nstlerischen Weiterentwicklung der Concept art Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre an deren Schlu punkt an. Jedoch sollte sich f r ihn diese Kunstrichtung nicht als abgehakt erweisen. Konzept , so Katase, bedeutet geistige Kunst, und die kann nicht als Tendenz zu Ende gehen. 4 So setzte er sich mit Religionen, mit vom Buddhismus (in dem er seine Wurzeln hat, er ihn genauer jedoch erst erfuhr, nachdem er sich in die europ ische Philosophie vertieft hatte), beeinflu ten Arbeiten auseinander. In zun chst spitzem Winkel n herten sich seine Gedanken an die Arbeit von Reiner Ruthenbeck, an die von Joseph Beuys an, um dann zunehmend parallel zu verlaufen. ber letzteren kam er mehr oder minder zu Rudolf Steiner und der Theosophie und dann kommt man auch auf den Buddhismus .5 Katase ging, als Asiat, den umgekehrten Weg, ging ihn als Europ er, wie Arthur Schopenhauer, wie der bereits erw hnte Rudolf Steiner oder wie Hermann Hesse, die in Fernost die Wahrheit der westlichen Welt suchten. Will man Katases Arbeit berhaupt an ein bestimmtes Merkmal einer Kultur binden, so ist es vielleicht diese Offenheit des Blickes, die ihn als einen asiatischer Kultur entstammenden Menschen erkennbar werden l t. Eine Offenheit, die sich nicht von kulturellen Attit den blenden l t, sondern den Menschen grunds tzlicher begreift, als ein Wesen, das sich in jeder Individuation, seien ihre historischen Merkmale auch ganz unterschiedlich, der Frage nach einer Bestimmung seiner Position in der Welt gegen ber sieht eine Frage, deren Beantwortung nicht in Ideen und Spekulationen liegen kann, sondern allein im Lebensvollzug des einzelnen. 6Katases Arbeit ist die der Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung. Das ist, im Kunst-Kontext, eine Binsenwahrheit. Doch die Umkehrung, die Tatsache, da ein Japaner den asiatischen Gedanken europ isch andenkt, f hrt innerhalb der von Mythen und Mystik (scheinbar?) freien Aufgekl rtheit zu einer gewissen Verunsicherung. Das Katasesche Fundament des anderen Sehens 7 erweist sich angesichts seiner Arbeit Fisch + Schiff + mehr so durchaus als Paradoxie. Helmut Friedel zitiert im Zusammenhang mit dieser Installation im M nchner Kunstforum in der Maximilianstra e von 1985 eine von Paul Watzlawick in dessen Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit? angef hrte Schrifttafel: Dieses Zeichen nicht beachten! 8 Die zeICHensetzung ist bei Katase eine andere: Nicht das Boot, sondern der Fisch schwimmt im Wasser, und das ist ins Boot eingelassen. Ist das Boot das Meer? Und der Raum, in dem das Boot mit seinen durchlaufenden, also in der Mitte nicht getrennten und berdies die begrenzenden W nde ber hrenden Rudern liegt, ist er das Universum? Dieses Universum zeigt sich in intensivem, in leuchtendem Blau. Es bewirkt, da der Raum unbetretbar, das hei t unnahbar bleibt. Sieht man eine Weile in diesen Raum hinein, dann beginnt das Auge die Blauf rbung zu kompensieren und man beginnt die Gegenst nde normal zu sehen. In diesem Augenblick erscheint aber die Welt drau en im wei en Licht als Rosa gef rbt. Die Wirklichkeit erscheint so oder so immer gef rbt. 9 berhaupt spielt Katase, der bereits in Japan konzeptionell gearbeitet hatte und dann in Floris M. Neus ss' Kasseler Photographenklasse studierte (jedoch, mit seinen Worten, gezielt gegen den europ isch gepr gten Akademismus die autodidaktische Haltung weiterentwickelt ), mit den M glichkeiten der Positiv-Negativ-Umkehrungen. Er formuliert die objektiven Wirklichkeiten um: Licht wird zu Schatten, Wei zu Schwarz. Auch im farblichen Bereich geht Katase hnlich vor, so in der bereits erw hnten, in M nchen ausgef hrten Arbeit Fisch + Schiff leer + mehr oder in der Genter Ausstellung Chambres d' amis, indem er Filter installiert, die ganz bestimmte Farbt ne, hier die roten, schlucken bzw. umwandeln, so da der Betrachter des Raumes sich gr nh utig w hnt. berhaupt: die R ume. Sie sind Orte des meditativen Schweigens, aber auch der europ ischen, vernunftgem en, Erkenntnisse. Letztere macht der Begeher der Kataseschen Environments, verst rkt durch die Lichtkonstellationen, indem er konzentriert wird auf seine innere und u ere Umgebung, herausgel st aus dem profanen Treiben um ihn herum. Der Museumsbesuch wird zum Ritus des Nachdenkens, der kognitiven Aktion im psychedelischen Farbenrausch; so in Katases documenta-Installation Nachtmuseum, documenta IX, 1992.Katase ist, als Europ er , im Zen-Buddhismus zuhause, und in diesem gelten Verneinung bzw. Bejahung als strategische Ma nahmen , als Hilfsmittel f r Verwirren und Verunsichern . Nach Klaus Hoffmann, der Kazuo Katase zur bersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland angeregt hat, ist dies f r den logischen Verstand und das dualistische westliche Denken [...] vielfach unverstehbar, es sei denn, man n hme das irrationale Denken der christlichen Mystik zu Hilfe, Meister Eckehart, Thomas von Aquin, Nicolai de Cusa, oder das scheinbar krause Kunstdenken von Surrealismus, Dadaismus und Fluxus .10Ob christliche, ob buddhistische Mystik, das Verneinen im Bejahen et vice versa ist auch der Romantik immanent. Novalis spricht von Wechselerh hung und Erniedrigung , da wenn man dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gew hnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die W rde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe .11 Auch hier und das ist kein Widerspruch in der Widerspr chlichkeit in der Romantik f hlt Katase sich zuhause, ist seine Kunst verwurzelt. Es ist die Romantik als Weltentwurf, aber eben auch eine des Alltags(-Gegenstandes), der durch die Kunst, im besten Wortsinn, erh ht wird wie in der Installation Trink eine Tasse Tee von 1987 (Abbildung oben) auf dem schweizerischen Furka-Pa , der auf diese Weise eine sthetische R ckf hrung auf den universalen Gedanken erf hrt und durchaus auch Kontinente zusammenf hrt. Hier wird die N he zu Joseph Beuys, dem radikalen Erneuerer des romantischen Gedankens, einmal mehr evident. Jeder Mensch sei ein K nstler, sagte Beuys. Nein, so sagte er das nicht. Eher meinte er es so: Jeder Mensch sollte K nstler sein. Alles kann zur sch nen Kunst werden 12 notierte Novalis rund 150 Jahre zuvor.Im Bezug zum Heute schl gt dann letztendlich doch wieder der Asiat, der Japaner Katase durch. Im Gegensatz zu fr heren Ausdrucksformen des Konzeptionellen zielt seine Arbeit nun auf den (eigenen) Proze des Wachsens bzw. Entwickelns im lterwerden . Sein oft kritisierter Dualismus artikuliert sich schillernd dialektisch: Die Wahrheit ist nur in der Weisheit zu erfahren.13Anmerkungen1 K. K. im Gespr ch mit Kersti Schwarze, in: Kassel Kulturell Nr. 4, April '92, S. 252 K. K. im Gespr ch mit Volker Rattemeyer, in: Kat. zeICHensetzung, Heidelberger Kunstverein 1983, o. P.3 Hans Gehrcke, in: zeICHensetzung, a. a. O.4 K. K., in: Kassel Kulturell, a. a. O., S. 275 ebenda6 Heinz Liesbrock, Das offenbare Geheimnis, in: Kat. Temple de la nuit, Centre National d`Art Contemporain de Grenoble 1989, o. P.7 K. K., in: Kassel Kulturell, S. 258 Helmut Friedel, in: Kat. zeICHensetzung, Fisch + Schiff leer + mehr, St dt. Gal. im Lenbachhaus, Kunstforum Maximilianstra e, M nchen 1985, s. p.9 ebenda10 Klaus Hoffmann, Nicht dieses nicht jenes, aber ... Das Ja im Nein. Im Nein das Ja., in: gabelung, Ausst.-Kat. Kunstverein Wolfsburg 1988, s. p.11 Novalis, Schriften, hrsg. von Richard Samuel, Stuttgart 1981, 3. Aufl. Bd. 2, S. 54512 Novalis, a. a. O., S. 49713 Schiller meinte, die Wahrheit sei nur mit List zu verbreiten.K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 20.1992Zu Kazuo Katase folgte in K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst in der Ausgabe 56.2001 ein weiteres Heft. Den Text dazu verfa te Herbert K hler. Er ist auf der WebSeite von Kazuo Katase ver ffentlicht: Er schneidet in ein St ck Natur.*Der Name wird im Japanischen auf der dritten, hier der Endsilbe betont, also Ka-ta-se F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Katase-Abbildungen: Kazuo Katase Der K rper als Organ der Sprache ber (Wolfgang) FLATZ1974 setzte sich Flatz w hrend einer Modenschau im Grazer Hotel Steirer Hof mit verbundenen Augen in die erste Reihe. Sowie das Publikum applaudierte, klatschte der begeisterte Besucher Flatz mit. Am Ende der Schau, die zu der seinen werden sollte, verlie er, weiterhin mit verbundenen Augen, den Saal, quasi hilflos, hilfesuchend und wortlos. Diesem ersten Ergebnis der Flatzschen Auseinandersetzung mit zeitgen ssischer Kunst, vor allem mit dem Happening und den Wiener Aktionisten, folgten 1975 weitere Durchkreuzungen herk mmlichen Wahrnehmens und F hlens . Eine davon brachte ihm einen Aufenthalt im rtlichen Stadtgef ngnis und eine anschlie ende Einweisung in die psychatrische Abteilung der Landesirrenanstalt Valduna ein: als er sich im Palais Liechtenstein im sterreichischen Feldkirch w hrend einer Ausstellungser ffnung von den anderen Vernissagebesuchern lediglich dadurch unterschied, da er einen schwarzen Sack ber den Kopf gest lpt trug.Die Wiederholung eines solchen Klinikaufenthaltes brachte jene Aktion mit sich, bei der Flatz sich zw lf Stunden lang auf einer Stra enbr cke neben ein 140 mal 140 Zentimeter gro es Schild gestellt hatte, dem zu entnehmen war, da er an diesem Ort einen Unfall mit betr chtlichen Folgen verursacht habe. W hrend die Performances oder Aktionen der darauf folgenden Jahre allesamt autoaggressiv waren (bei denen allerdings der eine oder andere Beobachter oder Betrachter so manches Mal handgreiflich wurde), bezieht der 1952 im sterreichischen Dornbirn geborene Flatz 1992 auf der Kasseler documenta IX zum ersten Mal sein Publikum konkret auch physisch in sein Konzept ein.Bodycheck/Physical Sculpture No. 5 ist der Titel dieser Arbeit, die, in vermutlich jeder Hinsicht, Bewegung erbringen wird: Im zweiten Obergescho des Fridericianums h ngend, den gesamten Raum ausf llend, eine Vielzahl zylindrischer K rper, Sands cken hnlich, wie sie die Boxer zum Training benutzen, 120 Zentimeter hoch, bei einem Durchmesser von 40 Zentimetern und einem Gewicht von 60 Kilogramm, was Flatz' K rpergewicht entspricht. Das Entscheidende dabei ist, da jeder Besucher der dahinter liegenden Ausstellungsr ume durch diesen Skulpturenwald hindurch mu , ihm dabei jedoch lediglich ein Zwischenraum von 40 Zentimetern bleibt, f nf Zentimeter weniger, als die durchschnittliche Schulterbreite des Menschen ausmacht.Flatz' Intention ist die, da jeder Besucher die Skulptur ber hren, sto en, wegschieben mu . Sie erlaubt ihm die Fortbewegung nur als bewu te Handlung , so Flatz in seinem Konzept-Papier, als direkte k rperliche und geistige Auseinandersetzung mit der Skulptur selbst. 1 Diese documenta-Arbeit stellt Zusammenfassung und H hepunkt der k nstlerischen Vorstellungen dieses schm chtig-drahtigen, narzi tischen Philanthropen dar. Bodycheck/Physical Sculpture No. 5 ist ... weich und brutal, schwarz und ledern, geometrisch abstrakt, massiv und beweglich, schwer und unverr ckbar, streng und durchschaubar, direkt und be ngstigend, das Einzelne und die Masse, Organisation und Irritation, Strategie und Widerstand, K rper und Intellekt, Raum und Form, Gewalt und Aggression .... Und alles zusammen ist ihm vor allen Dingen Kunst .2Die Performances, die Flatz (wie auch seine sp teren Demontagen) St cke nennt, waren ber den Zeitraum von nunmehr 18 Jahren autoaggressiv bestimmt, also auf den eigenen K rper bezogen. Doch diese Form der Ich-Bezogenheit rief immer wieder mehr Menschen auf den Plan, als das gemeinhin bei einer Gewalt der Fall ist, die gegen andere gerichtet ist. So etwa bei der Aktion Teppich: Flatz lie sich in den Windfang der M nchner Kunstakademie legen, eingen ht in einen Teppich, auf den die Hineingehenden traten, mehr oder minder gezwungen. Die Schmerzen, die die Tritte verursachten, artikulierte Flatz jeweils mit einem schrillen Pfiff. Zw lf Stunden sollte auch dieses St ck andauern. Doch nach etwa einem Drittel der Zeit wurde der menschengef llte Teppich von zwei M nnern weggezerrt und zur Seite geworfen. Eine weitaus weniger gewaltt tige Gegenreaktion d rfte die Frau bewogen haben, jenes St ck von 1977 in einem Vortragssaal im sterreichischen Bludenz zu beenden, bei dem Flatz sich, bis zum erw hnten Abbruch, f nfzehn Minuten lang von einem Mann ohrfeigen lie , w hrend das Auditorium Schl ger und Geschlagenen auf einem Videomonitor beobachten konnten.Jochen Gerz hat zwei Jahre sp ter mit seiner Performance Purple cross for absent now hnlich agiert, als er sich ein Gummiseil um den Hals legte, an dem der Mensch ziehen und das Ergebnis im Monitor berpr fen durfte. Es ist jene Apokalypse-Konsumtion, die Leid und Schmerz quasi konserviert liefert und so gegen ber der Wirklichkeit abstumpfen l t.Aber auch den Voyeurismus und die direkte Gewaltbereitschaft hat Flatz immer wieder provoziert. So gesehen war seine Aktion, seine Performance von 1979 in Stuttgart, ein Treffer im rgsten Wortsinn, jedoch nicht etwa deshalb, weil sie einen kommunalen Kulturpolitiker das Amt kosten sollte, da dieser zu verhindern suchte, da Flatz sich f r ein Preisgeld von 500 Mark mit Dart-Pfeilen bewerfen lie , sondern weil der Politiker dabei gesehen wurde, wie er sich selbst als Wurfsch tze bet tigte ...Den Kulminationspunkt seiner autoaggressiven Performances erreichte Flatz sicherlich mit der zu Sylvester 1990/91 und in der orthodoxen Neujahrsnacht am 14. Januar 1991 in der georgischen Hauptstadt Tiflis (wo er, wie in Leningrad, eine Gastprofessur innehatte): in der dortigen alten Synagoge, die zur Zeit des kommunistischen Regimes als Kader- und nach dem Zusammenbruch als anarchische Kulturst tte benutzt wurde. Er lie dort zwei 1,50 mal 2,80 Meter gro e Stahlplatten an die Decke h ngen. Zwischen diesen hing er mit dem Kopf nach unten, an den H nden gefesselt. Diese wiederum waren mit einem Seil verbunden, mit dem ein unten stehender Mann Flatz' K rper f nf Minuten lang zwischen den beiden Platten hin- und herpendelte und aufschlagen lie . Im Anschlu an dieses Glockenl uten tanzte ein Paar den Kaiserwalzer von Johann Strauss. Wenn dies vordergr ndig auch eine Provokation ohnegleichen war, so war es doch ein hintergr ndiger Hinweis auf Geschichte: Zur Zeit der Zaren wurden politisch Unbeugsame in die Glocken geh ngt, bis sie sangen . Und mit dem abschlie enden Kaiserwalzer assoziierte Flatz die monarchische, heute nur noch als romantizistische H lse existierende Hochkultur (Demontage IX, Tiflis 1990/91).Flatz ist an der Provokation alleine nicht gelegen. Sie ist ihm Mittel zur Irritation, ist Summe meiner Erfahrungen 3 Aber sie ist ihm auch Hilfe bei der Selbst-Irritation, die ihn Bilder sehen l t, die ich selber sehen will, die ich noch nicht kenne oder die ich noch nicht gesehen habe, die nat rlich sehr wohl auf die Geschichte Bezug nehmen . Geschichte meint bei ihm sowohl die gesellschaftliche, die politische Historie als auch die in (aller-)n chster N he liegende der (Selbst-)Erfahrung. Es ist eine ambivalente, die der sterreicher mit Wohnsitz in M nchen seine dialektische Umtriebigkeit zuordnet. Die Konstitution von Identit t , schreibt Georg Sch llhammer, erfolgt [...] ber etwas Entferntes, Vergangenes, von dessen hnlichkeit mit dem, was man glaubt zu wissen gewesen zu sein, man gleichzeitig seiner selbst gewi und seiner selbst unsicher ist. 4Es ist ein enormer Perfektionsdrang, mit dem Flatz arbeitet. Er hat seine Wurzeln sicherlich in der Ausbildung zum Goldschmied und Metalldesigner. Auch bewarb Flatz sich an der M nchner Akademie der Bildenden K nste in der Goldschmiedeklasse von Hermann J nger, allerdings mit Photographien seines K rpers (siehe beispielsweise oben). Ihn hat er, aufgrund der Erkenntnis, da das Schmuckst ck als soziales Zeichen keine Funktion mehr hat, zum Organ gemacht, das sein hohes sthetisches Bed rfnis , artikuliert, aber auch sozial- und gesellschaftskritische Aussagen transportiert.Flatz lebt sein immer wieder erw hntes sthetisches Bed rfnis , das eben dem sthetizistischen, das das Inhaltliche aus dem Formalen ausgrenzt, widerspricht, in allen erdenklichen R umen aus. So richtete er 1984 in M nchen den Friseursalon Rosana nicht nur mit von ihm entworfenen M beln ein, sondern ersetzte die sonst blichen Spiegel durch Videokameras bzw. -monitore. Der Narzi foppt seine Kinder. Auch entwirft er B hnenbilder, etwa an den M nchner Kammerspielen; inszeniert selbst, so f r die Opernfestspiele in M nchen; gewinnt, mit Florian Aicher und Uwe Drepper, den Architekturwettbewerb zur ber hmt-ber chtigten M nchner Abgasr hre Laimer Unterf hrung; realisiert die Videoskulptur Modell America (1985), einen elektrischen Stuhl, bei dem ein Delinquent im Todeskampf zu sehen ist; konzipiert Ausstellungen usw.Das Auseinanderklaffen von Alltags- und Hochkultur ist ein gesellschaftlicher Faktor, den Flatz beharrlich auszuleuchten versucht. Ein Beispiel ist das in verschiedensten Variationen aufgef hrte St ck Demontage II. In der Rosenheimer Fassung von 1987 durchbrach Flatz mit einem Pre lufthammer eine Mauer, w hrend eine Sopranistin Lieder deutscher Klassiker sang. Auch hierbei durchkreuzte Flatz die unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven und richtete sein Aggressionspotential gegen das Material. Auch hier, hnlich der Demontage IX von Tiflis, das romantizistische Liedgut des Bildungsb rgertums und dort die Funktion der Gewalt, die sich scheinbar entseelt und trivial u ert.Die Trivialit t spielt in Flatz' k nstlerischer Intention eine wichtige Rolle. Hier ist er der Pop art n her als der konzeptionellen oder Aktionskunst. Am ausgepr gesten zeigt sich das in seinen Werkserien mit Titeln wie Zeige mir einen Helden und ich zeige Dir eine Trag die, Einige mehr oder weniger wichtige historische Zwischenf lle oder Die Liebe und der Tod (1990).Flatz entbl t die Insignien des Pathos', ob es sich dabei um das Repr sentative weihevoll zelebrierter Hochkultur oder um den Schmuck des sogenannten kleinen Mannes handelt, indem er sie zu Ikonen erkl rt. Letzterem ist er jedoch in jedem Fall mehr verbunden. F r ihn, den gern Bel chelten oder auch Ausgelachten im Gesellschaftlichen oder rein Machtpolitischen, ergreift er Partei. F r ihn argumentiert er in einer (narzi tischen) Sprache, die vermeintlich nur die Gebildeten verstehen: in der der Kunst.Anmerkungen1 Unver ffentlichtes Konzept Papier zur documenta-Arbeit2 a. a. O.3 Soweit nicht anders gekennzeichnet, entstammen Zitate aus einem Gespr ch mit dem Autor am 15. Februar 1992 in M nchen4 Georg Sch llhammer, Zu den szenischen Konzepten von FLATZ, in: FLATZ, Performances 1974 1982, Demontagen 1987 1991, Kat. Kunstverein M nchen 1991K nstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 18.1992 F r den Text: Detlef Bluemler und Zeitverlag (ehemals WB-Verlag);f r die Flatz-Abbildungen: Wolfgang Flatzla chose ist das hierher umziehende Archiv von micmac.Letzte Aktualisierung:30.10.2015, 03:39

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