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GERECHTIGKEITGerechtigkeit ist die oberste ethische Forderung des Volkes Israel's. Und diese ist aufs innigste verkn pft mit der Vorstellung von Gottes Walten. Hei t es von Gott: Der Hort, vollkommen ist sein Tun, denn alle seine Wege sind Recht (5 Mos. 324), so ergeht an Abraham die Forderung, da er seinen Kindern und seinem Hause nach ihm gebiete, da sie wahren den Weg des Ewigen: zu ben Gerechtigkeit und Recht (1 Mos. 1819). So erscheint die Gerechtigkeit des Menschen als ein Mittel, die Gottesebenbildlichkeit zu bet tigen. Das bezeugt auch der Prophet Jeremia, der als Erkenntnis des Ewigen worunter nicht die Erkenntnis des Wesens, sondern die des Wirkens des Ewigen und die Nachahmung dieses Wirkens zu verstehen ist das Eintreten f r das Recht bezeichnet. Dein Vater ruft er dem K nig Jojakim zu, hat Gerechtigkeit und Recht ge bt, die Sache des Armen und D rftigen gef hrt, sieh, das hei t mich erkennen, ist des Ewigen Spruch (22 15-16).Von andrer Seite freilich wird behauptet, da auf dem Boden des Volkes Israel's nur der gerecht ist, der dem Gesetze entspricht. Ja, ein Denker von solcher Weite des Blicks und Sch rfe des Urteils wie Gustav R melin, weiland Kanzler der Universit t T bingen, hat in seiner Rede ber die Idee der Gerechtigkeit erkl rt, da das biblische Wort, das wir mit Gerechtigkeit bersetzen (er nennt weiterhin z d k ) ge m der theokratischen Grundanschauung das dem Willen des g ttlichen Gesetzgebers und Richters entsprechende menschliche Gesamtverhalten, die Erf llung aller g ttlichen Gebote bedeute. Diese Gerechtigkeit hat keine besondere Beziehung zum Zusammenleben mit seinesgleichen, sondern sie stellt den Menschen nur seinem Herrn und Sch pfer gegen ber. O p f er und G e b et, Heiligung der Feiertage, Unterlassung von Fluchen und vergeblich Schw ren geh rt hier gerade so gut zur Gerechtigkeit als da man nicht t tet, stiehlt oder falsch Zeugnis redet . (Kanzlerreden S. 261.)Man staunt ber solche Behauptungen, wenn man daran denkt, da die Propheten gerade im Gegensatz zu Opfer und Gebet die Notwendig keit gerechten Urteilens und Handelns gegen ber Menschen betonen, wenn man z. B. an Stellen denkt wie Amos 5 21 ff.: Ich hasse, verabscheue eure Feste und mag nicht eure Festversammlungen. Ja, wenn ihr mir Brand- und eure Speiseopfer bringt, habe ich kein Gefallen daran, und auf dieDankopfer von eurem Mastvieh sehe ich nicht. Schaffe weg von mir den L rm deiner Lieder und das Spiel deiner Harfen mag ich nicht h ren. Aber das Recht flute wie Wasser dahin und die Ge rechtigkeit wie ein nimmer versiegender Bach. Auch die Behandlung, welche die t a l m u d i s c h- m i d r a s c h i s c h e Auffassung des Begriffes Gerechtigkeit in manchen nichtj dischen Kreisen erf hrt, ist eine irrige.An dieser Stelle gen ge es, auf S tze hinzuweisen wie: Das Recht hat der Heilige, gepriesen sei er, dem Mose vor den sechshundertdrei zehn Geboten offenbart. Wie denn? In Mara vor dem Zehnwort, denn es hei t: Dort gab er ihm Gesetz und Recht (2 Mos. 15 25) (Midrasch Haschkem, Ozar midraschim ed. Eisenstein S. 140) und: Um des Rechtes willen hat der Heilige, gepriesen sei er, Israel eine Thora gegeben. (Midrasch Le-olam ebd. S. 273.)Schon diese hohe Auffassung des Rechts und das unbeirrbare Rechts gef hl, das wir fort und fort bei den Schriftgelehrten finden, bewahre sie vor der ihnen zugeschriebenen Verwirrung des Begriffs der Gerechtigkeit. Da Zaddik sp ter unserm fromm entsprach, beweist nur, da die Gerechtigkeit als die Voraussetzung alles gottgef lligen Wandels an gesehen wurde.Das war durchweg der Fall, auch wenn was im Mittelalter ver einzelt vorkam das Pr dikat zaddik nur dem zuerkannt wurde, der auch alle andren Gebote beobachtete. Die Quelle jener Mi deutungen aber ist Paulus falsche Auffassung, der gegen ber seiner Gerechtigkeit aus Glauben behauptete, die Kinder Israel's wollten durch das Gesetz gerecht werden.Nein, in unsrer Bibel und im nachbiblischen Schrifttum wird unter Gerechtigkeit nur oder wenigstens vor allem die Bet tigung des Rechts gegen ber jedem Menschen, die Anerkennung und Verwirklichung des ihm Geb hrenden verstanden. Die Beziehung auf Gottes Walten und auf die Gottesebenbildlichkeit brachte es eben mit sich, da die Ge rechtigkeit keine Schranken kannte, da eine wahre soziale Gerechtig keit gefordert wurde, die in der Anerkennung des Wertes eines jeden Menschen als eines sittlichen Wesens besteht. Und so wurde Gerechtig keit berall und von und gegen ber jedwedem gefordert, Gerechtig keit im Gericht, Gerechtigkeit in Handel und Wandel, Gerechtigkeit von und gegen hoch und niedrig, Gerechtigkeit von und gegen die Kinder Israel's und Nichtisraeliten, Gerechtigkeit hinsichtlich der Person und hinsichtlich des Besitzes.Dein Richter ruft die Thora zu: Der Gerechtigkeit, der Gerechtig keit jage nach (5 Mos. 16 20.) Von ihm wurde die peinlichste Ge wissenhaftigkeit verlangt. Das beweisen die noch heute nicht genug zu beherzigenden lapidaren S tze: Kennet nicht ein Angesicht (An sehen der Person) im Gericht, h ret den Kleinen wie den Gro en, f rchtet euch nicht vor irgendeinem, denn das Gericht ist Gottes. (5 Mos. 1 17). Wie tief diese Mahnung zur Heilighaltung des Rechts und zur Beachtung der Gleichheit der Parteien in die Seelen der Rechtsprechenden eingedrungen ist, ersehen wir aus verschiedenen Aus spr chen von Schriftgelehrten und aus mannigfachen Berichten des Talmuds ber das Verhalten von Schriftgelehrten, die als Richter t tig waren. Von jenen seien hier zwei angef hrt: Ein Richter, der ein gerechtes Urteil f llt, ist gleichsam ein Mitarbeiter Gottes am Sch p fungswerk und: Ein Richter, der gerecht urteilt, bewirkt, da Gottes Heiligkeit auf Israel ruht, der aber nicht gerecht urteilt, verursacht, da Gottes Heiligkeit Israel verl t. Bedeutsam sind auch die folgenden pentateuchischen S tze: Tut nicht Unrecht im Gericht; erhebe nicht das Angesicht des Niedrigen und ehre nicht das Angesicht des Gro en (3 Mos. 1915) und: Den Niedrigen beg nstige nicht in seinem Rechtsstreit (2 Mos. 23 3). Wird doch hier davor gewarnt, sich von dem edlen Gef hl des Mitleids zur Rechtsbeugung verleiten zu lassen.Die Strenge sollte aber nicht unerbittlich sein. Wie es von Gott hei t: Gerechtigkeit und Recht sind die Grundfeste Deines Thrones, Gnade und Wahrheit gehen einher vor Deinem Angesicht (Ps. 89 15), so sollte nach dem Talmud, der sich hier auch von dem Satze leiten lie : Du sollst tun was gerade und gut ist in den Augen des Ewigen (5 Mos. 6 i8), der Richter bei aller Wahrung des Rechts Billigkeit walten lassen. Da im Volke Israel's Gerechtigkeit und Milde Hand in Hand gehen, zeigt auch die Bedeutung und Entwicklung des Wortes Zedaka. Ur spr nglich nur Gerechtigkeit bezeichnend, erh lt es im nachbiblischen Hebr isch die Bedeutung Wohlt tigkeit gegen Arme, die als eine helfende, ausgleichende Gerechtigkeit angesehen wurde.Der Ruf: Der Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit jage nach galt aber auch jedem Laien. Er sollte ihn in jeglicher Lebenslage, im Denken und Urteilen ben, im Verkehr mit Nebenmenschen befolgen. Nicht nur zweierlei Gewicht, zweierlei Ma (Spr. 20 10), sondern jegliches Unrecht gegen Menschen wurde von den Lehrern des Volkes Israel's als Greuel des Ewigen betrachtet. Und so bieten uns die Bibel und die nachbiblischen Schriften eine F lle von hierauf bez glichen klaren Vor schriften und ernsten Ermahnungen. Wer f r deren bertretungen das Volk Israel verantwortlich macht, befindet sich in einem argen Irrtum.Wer die Wahrheit ergr nden will, beachte vielmehr, da , wie in der Vorgeschichte Israels der Stammvater erkoren wurde, damit er seinen Kindern gebiete, Gerechtigkeit und Recht zu ben, so vom messia nischen F rsten als erstes gek ndet wird, da auf ihm der Geist des Ewigen ruht und er nicht nach seiner Augen Anblick richten und nicht nach seiner Ohren Geh r entscheiden wird. Er richtet in Gerechtigkeit Arme und entscheidet in Geradheit ber die Gebeugten des Landes (Jes. 112-4).Den Glauben an den hier verk ndeten Sieg des Rechts hat das Voke Israel's im Gange der Zeiten nicht verloren. Je mehr Unrecht sie erlitt, desto st rker wurde ihr Rechtsgef hl, und desto eifriger nahm sie teil an dem Kampf ums Recht, dem Kampfe f r das Recht aller Men schen. Sie bleibt der klassische Zeuge f r Rudolf von Iherings Wort (Der Kampf ums Recht S. 46) : Der Schmerz, den der Mensch bei der Verletzung seines Rechts empfindet, enth lt das gewaltsam erpre te instinktive Selbstgest ndnis ber das, was das Recht ihm ist, zun chst was es ihm, dem einzelnen, sodann aber auch, was es an sich ist . Wer nicht an sich selbst oder an einem andern diesen Schmerz erfahren hat, wei nicht, was das Recht ist, und wenn er das ganze corpus juris im Kopfe h tte. Michael Holzman.

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